Protokollführender Rechtsreferendar ist kein Revisionsgrund


Protokoll führender Rechtsreferendar ist kein Revisionsgrund

Rechtsreferendare dürfen als Protokollführer im Strafverfahren eingesetzt werden, wenn das jeweilige Landesrecht das vorsieht. Nach einem Urteil des BGH müssen sie der entsprechenden Strafkammer nicht einmal als Stationsreferendare zugewiesen sein, um ihren Einsatz als Protokollführer zu rechtfertigen.

Manch wackerer Strafverteidiger hält sich auch noch an dem allerletzten Strohhalm für seinen Mandanten fest.

In dem vom BGH entschiedenen Fall sah der Strafverteidiger einen absoluten Revisionsgrund darin, dass ein Rechtsreferendar als Protokollführer eingesetzt worden war, der noch nicht einmal als Stationsreferendar der Strafkammer zugewiesen worden sei.

Rechtsreferendar wurde nebenberuflich als Protokollführer eingesetzt

Der Rechtsreferendar war von der Präsidentin des Landgerichts Bremen im Rahmen einer schriftlichen Vereinbarung für einen Stundenlohn von 12 Euro nebenberuflich als Protokollführer eingesetzt worden.

Der Strafverteidiger monierte, dass diese Bezahlung inadäquat sei und zu Interessenkonflikten führen könne.

Kein absoluter Revisionsgrund erkennbar

Doch der Bundesgerichtshof sah darin keinen Revisionsgrund. 

  • Weder aus § 153 Abs. 2 und 5 Satz 1 GVG
  • noch aus § 20 Bremisches AGGVG ergebe sich,
  • dass nur der Strafkammer zugewiesene „Stationsreferendare” für Aufgaben der Protokollführung herangezogen werden dürfen.
  • Auch ein Verstoß gegen § 226 Abs. 1, § 338 Nr. 5 StPO liege durch den Einsatz von Rechtsreferendaren nicht vor.

Die Auffassung des Strafverteidigers gehe fehl, die Hauptverhandlung habe zeitweise ohne einen ordnungsgemäß bestellten Urkundsbeamten der Geschäftsstelle stattgefunden, weil an zwei Hauptverhandlungstagen Rechtsreferendare das Protokoll geführt hätten.

Beauftragung ging in Ordnung

Nach § 20 Abs. 1 Bremisches AGGVG können Referendare mit der selbstständigen Wahrnehmung von Aufgaben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beauftragt werden.

Für die Beauftragung werden als zuständig bestimmt: der Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen, der Generalstaatsanwalt, der Präsident des Landgerichts etc.  Der BGH stellte fest, dass die im vorliegenden Verfahren tätig gewordenen Referendare von der Präsidentin des Landgerichts ordnungsgemäß mit der Protokollführung beauftragt wurden. Der Auffassung, dass nur ‚Stationsreferendare‘ Aufgaben des Urkundsbeamten wahrnehmen dürfen, widersprachen die Karlsruher Richter.

Protokollführung mangelfrei

Zweifel an der erforderlichen Befähigung der eingesetzten Referendare hegte der Bundesgerichtshof ebenfalls nicht. So hat denn auch der Strafverteidiger keine Mängel der Protokollführung aufgezeigt. Solche sind laut BGH auch nicht ersichtlich.

Laut Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts Bremen

  • hatten die Referendare die mehrmonatige Pflichtstation in Zivilsachen absolviert
  • und befanden sich im strafrechtlichen Ausbildungsabschnitt.
  • Sie waren durch Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in die Tätigkeit des Protokollführers theoretisch und praktisch eingewiesen worden.

Die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des § 153 Abs. 2 und 5 Satz 1 GVG war damit gewährleistet. Mögliche Interessenkonflikte konnte das Gericht ebenfalls nicht ausmachen.

(BGH, Beschluss v. 12.1.2017, 5 StR 548/16).


Maßgebliche Normen:

§ 226 StPO
Ununterbrochene Gegenwart

(1) Die Hauptverhandlung erfolgt in ununterbrochener Gegenwart der zur Urteilsfindung berufenen Personen sowie der Staatsanwaltschaft und eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.

(2) Der Strafrichter kann in der Hauptverhandlung von der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle absehen. Die Entscheidung ist unanfechtbar.


§ 338 StPO

Absolute Revisionsgründe

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

...

5. wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;






Hintergrund: Besetzungsrüge

Die Überprüfung der Besetzung des Gerichts durch den Verteidiger ist zumindest aus zwei Gründen unentbehrlich:

  • Zum einen garantiert sie das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG
  • und zum anderen sichert sie ihm die Möglichkeit der Revision mit dem absoluten Revisionsgrund der Besetzungsrüge, § 338 Nr. 1 StPO.

Die Besetzungsrüge ist jedoch unzulässig, wenn der Besetzungseinwand nicht erhoben wurde, obwohl der Besetzungsfehler objektiv erkennbar war. Man spricht insoweit von der sog. Rügepräklusion gem. § 222b StPO.

Die Anforderungen an die Besetzungsrüge sind in § 222b StPO geregelt. Es sind dabei Besonderheiten hinsichtlich der Form, der Frist, aber auch des Inhalts zu beachten. Die Besetzungsrüge ist spätestens bis zur Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache zu erheben. Alle Beanstandungen sind gleichzeitig vorzubringen. Die Rüge ist außerhalb der Hauptverhandlung zwingend schriftlich vorzubringen, innerhalb der Hauptverhandlung kann sie mündlich vorgetragen werden, wobei sie als wesentliche Förmlichkeit nach § 273 StPO zu protokollieren ist.

Schlagworte zum Thema:  Revision, Berufung