Revisionszulassung führt zum Prozesskostenhilfeanspruch

Wird die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen und zeitgleich über einen Prozesskostenhilfeantrag entschieden, so ist die Prozesskostenhilfe für die abgeschlossene Instanz in aller Regel zu gewähren. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt eine bedeutsame, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage voraus. Das Fachgericht verhält sich widersprüchlich, wenn es von einem solchen Fall ausgeht, gleichwohl aber Prozesskostenhilfe versagt.

Geld vom behördlichen EDV-System auf eheliche Gemeinschaftskonto abgezweigt

Die Beschwerdeführerin war mit einem ehemaligen Finanzbeamten verheiratet. Der frühere Ehemann fingierte Steuererstattungen sowie Eigenheimzulagen durch Manipulationen im behördlichen EDV-System und bewirkte dadurch Auszahlungen auf das eheliche Gemeinschaftskonto in siebenstelliger Gesamthöhe. Deswegen wurde er im November 2008 u. a. wegen Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Das Finanzamt forderte die Zahlungen gesamtschuldnerisch von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann durch Rückforderungsbescheide nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zurück.

Rückforderungsbescheid- macht Straftäter-Ehefrau zur Gesamtschuldnerin

Die hiergegen erhobene Klage der Beschwerdeführerin wies das Finanzgericht im Wesentlichen als unbegründet ab und ließ die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Durch Beschluss vom gleichen Tage gewährte es Prozesskostenhilfe für die erste Instanz lediglich in Höhe des geringen Teilbetrags, mit dem die Klage Erfolg hatte, und wies den Prozesskostenhilfeantrag im Übrigen zurück.

Durchentscheiden ungeklärter Rechtsfragen im PKH-Verfahren unerwünscht

Der angegriffene Beschluss des Finanzgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, befanden die Karsruher Richter.

  • Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Personen bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes.
  • Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint.

Anforderungen an Erfolgs­aussichten dürfen nicht überspannt werden

Die Anforderungen an die Erfolgs­aussichten dürfen jedoch nicht überspannt werden, warnen die Verfassungsrichter. Das Bundesverfassungsgericht kann allerdings nur eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist, insbesondere wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Rechtsschutzgleichheit beruhen.

Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Fachgericht eine entscheidungserhebliche, aus seiner Sicht ungeklärte Rechtsfrage bereits im Verfahren der Prozesskostenhilfe zum Nachteil unbemittelter Personen „durchentscheidet“. 

Rechtsschutzgleichheit steht auf dem Spiel

„Derartige Rechtsfragen können im Verfahren der Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht entschieden werden. Das Gericht verhält sich widersprüchlich, wenn es von einem solchen Fall ausgeht, gleichwohl aber Prozesskostenhilfe versagt.

Ohne Gewährung von Prozesskostenhilfe könnte der nicht ausreichend bemittelte Kläger das erstinstanzliche Hauptsacheverfahren nicht durchlaufen;

ihm bliebe so die Möglichkeit versagt, die Klärung der Grundsatzfrage zu seinen Gunsten in der Revisionsinstanz zu erstreiten.

Das widerspricht in aller Regel dem Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit“,

 erläuterte das Bundesverfassungsgericht. Überzeugende Gründe dafür, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, ließen sich den Entscheidungen des Finanzgerichts nicht entnehmen.

((BVerfG , Beschluss v. 4.5.2015, 1 BvR 2096/13).




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