Verteidigerwechsel bei Gebührenverzicht zulässig

Eine Auswechslung des Pflichtverteidigers in der nächsten Instanz ist dann zulässig, wenn beide Verteidiger damit einverstanden sind, dadurch keine Verfahrensverzögerung eintritt und keine Mehrkosten entstehen. Ein Gebührenverzicht des neuen Pflichtverteidigers ist wirksam, entschied das Oberlandesgericht Saarbrücken.

In dem Fall war ein Angeklagter in der Berufungsinstanz wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt worden. Das Amtsgericht hatte ihm noch drei Monate weniger aufgebrummt.  Gegen dieses Urteil legte sein Pflichtverteidiger Revision ein und beantragte zugleich „Akteneinsicht nach Vorlage der schriftlichen Urteilsgründe“. Mit späterem Telefaxschreiben legte sodann ein weiterer Verteidiger unter gleichzeitiger Anzeige seiner Beauftragung durch den Angeklagten ebenfalls Revision ein, die er nach erfolgter Urteilszustellung per Telefaxschreiben mit mehreren Verfahrensrügen und der Sachrüge begründete. Eine Begründung der Revision durch den Pflichtverteidiger, dem mit der Zustellung des schriftlichen Urteils die begehrte Akteneinsicht gewährt worden war, erfolgte in der Folgezeit nicht. Kurz darauf beantragte der Wahlverteidiger, ihn unter Entpflichtung des Pflichtverteidigers, der gegen einen Austausch keine Bedenken erhob, zum Pflichtverteidiger zu bestellen. Diesen Antrag hat der Vorsitzende der Strafkammer zurückgewiesen.

Neuer Verteidiger muss auf doppelte Gebühren verzichten 

Die gegen die Ablehnung der Auswechselung des Pflichtverteidigers gerichtete Beschwerde hielt das Oberlandesgericht Saarbrücken für begründet. Eine Auswechselung des Pflichtverteidigers sei jedenfalls im Falle eines Instanzwechsels dann zulässig, wenn beide Verteidiger damit einverstanden sind, dadurch keine Verfahrensverzögerung eintritt und keine Mehrkosten entstehen. Das hielt das Gericht im entschiedenen Fall für erfüllt an:  Beide Verteidiger haben sich mit der Auswechselung des Pflichtverteidigers einverstanden erklärt, eine Verfahrensverzögerung ist hierdurch nicht zu besorgen. Durch einen Wechsel des bestellten Verteidigers entstehen für die Landeskasse auch keine Mehrkosten. Zwar hat der Pflichtverteidiger bereits die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG und im Hinblick auf die nach Einlegung der Revision gewährte Akteneinsicht auch die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren gemäß Nr. 4130 VV RVG verdient und stünde auch dem Wahlverteidiger im Falle seiner Bestellung grundsätzlich ein diese Gebühren umfassender Vergütungsanspruch zu, nachdem er die Revision des Angeklagten begründet hat. Ein zweifacher Anfall der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG und der Verfahrensgebühr nach Nr. 4130 VV RVG ist vorliegend jedoch ausgeschlossen, nachdem der Wahlverteidiger nach Erlass des angefochtenen Beschlusses erklärt hat, für den Fall des Pflichtverteidigerwechsels auf die Geltendmachung solcher Gebühren zu verzichten, die bereits bei dem Pflichtverteidiger entstanden sind.

Preiswettbewerb um Mandate ausgeschlossen


Dieser Gebührenverzicht ist laut Richterspruch auch wirksam. Der abweichenden Ansicht einiger Oberlandesgerichte, die im Hinblick auf § 49 b Abs. 1 Satz 1 BRAO, wonach es unzulässig ist, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorsieht, einen derartigen Gebührenverzicht als unzulässig erachten, vermochte sich das Gericht nicht anzuschließen. Insoweit werde nämlich von der herrschenden Meinung zu Recht darauf hingewiesen, dass dem von § 49b BRAO verfolgten Zweck, einen Preiswettbewerb um Mandate zu verhindern, in der vorliegenden Fallkonstellation ausreichend dadurch begegnet wird, dass ein Wechsel nur bei Einverständnis beider beteiligter Rechtsanwälte möglich ist.

(OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.10.2016, 1 Ws 113/16)

 

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