Vollstreckung von Ordnungshaft trotz eröffnetem Insolvenzverfahren
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners sind Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger gemäß § 89 Abs. 1 InsO unzulässig. Ein bereits eingeleitetes Vollstreckungsverfahren wird gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Fraglich ist allerdings, ob davon sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen erfasst werden.
Ordnungsgeld wegen Zuwiderhandlung gegen eine einstweilige Verfügung
In einem vor dem BGH verhandelten Fall wurde die Zwangsvollstreckung aus einem Ordnungsmittelbeschluss betrieben. Gegen die Schuldnerin war wegen der Zuwiderhandlung gegen eine einstweilige Verfügung ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 EUR und ersatzweise Ordnungshaft festgesetzt worden. Weitere Ordnungsgelder folgten wegen erneuter Zuwiderhandlungen. Nachdem die Ordnungsgelder nicht beigetrieben werden konnten, wurde die Schuldnerin zum Antritt der Ordnungshaft geladen. Als dann das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet wurde, vertrat sie die Auffassung, dass das Vollstreckungsverfahren unterbrochen sei. Mit diesem Begehren hatte die Schuldnerin vor dem BGH keinen Erfolg.
Insolvenzmasse war von der Ordnungshaft nicht betroffen
Nach § 240 ZPO tritt eine Unterbrechung des Verfahrens im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur insoweit ein, als die Insolvenzmasse betroffen ist. Die Insolvenzmasse ist aber nur betroffen, soweit es z. B. um Geldforderungen geht. Eine Vollstreckung des festgesetzten Ordnungsgeldes ist nach Insolvenzeröffnung also nicht mehr zulässig. Geht es aber – wie in dem entschiedenen Fall – um die Vollstreckung von ersatzweise angeordneter Ordnungshaft, dann betrifft dieses gerade nicht die Insolvenzmasse. Eine Unterbrechung durch das Insolvenzverfahren gemäß § 240 Abs. 1 ZPO tritt nicht ein. Ebenso wenig greift ein Vollstreckungsverbot nach § 89 Abs. 1 InsO, denn es wird weder die Vollstreckung in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners betrieben. Die Vollstreckung von Ordnungshaft ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners nicht gehindert.
(BGH, Beschluss v. 18.12.2018, I ZB 72/17).
Weitere News zum Thema:
Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife auch für Geschäftsleiter von Auslandsgesellschaften
Geschäftsführer muss Vertragspartner über Insolvenzantrag informieren
Rechtsfolge verbotener Zahlungen an Aktionäre
Hintergrund:
Ordnungsgeld und Ordnungshaft
Nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist der Schuldner wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen, wenn er der Verpflichtung zuwider handelt, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden.
Wenn Schuldner des Unterlassungsanspruchs eine juristische Person ist, ist das Ordnungsgeld gegen diese und die ersatzweise Ordnungshaft gegen das Organmitglied festzusetzen, das schuldhaft gegen das Verbot verstoßen hat (BGH, Beschluss v. 12.1. 2012, I ZB 43/11).
Aus: Deutsches Anwalt Office Premium
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.172
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.7342
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.635
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.613
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.471
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.400
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.368
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.305
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
1.136
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
1.0461
-
Fehler des Zustellers geht nicht zulasten einer Prozesspartei
20.11.2024
-
Bundestag beschließt neues Leitentscheidungsverfahren beim BGH
14.10.2024
-
Fristverlängerungsanträge widerlegen die Dringlichkeit
07.10.2024
-
Gesetzentwurf zum zivilgerichtlichen Onlineverfahren
10.09.2024
-
Zurückweisung der Berufung nicht vor Eingang der Berufungsbegründung
22.08.2024
-
Kanzleischlüssel vergessen, Berufungsfrist versäumt
15.08.2024
-
Abschlussbericht zum Projekt „Digitales Basisdokument“
14.08.2024
-
Das BMJ plant weitere Digitalisierungsschritte für die Justiz
03.07.2024
-
Nach Anwaltsfehler muss Ex-Ehemann Unterhalt zahlen
01.07.2024
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
25.06.2024