Anwalt drängt Gegner massiv zum Vergleichsschluss - Gericht sieht Betrug
Die Gefahr, sich durch ein überspitztes Abmahnschreiben strafbar zu machen, geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Düsseldorf hervor, bei der es um Urheberrechte an Musikdateien ging.
Musikdateien unzulässig zum Herunterladen zur Verfügung gestellt?
In dem Fall hatte ein Anwalt im Namen eines Mandanten eine Internetanschlussinhaberin mit der Begründung abgemahnt, von ihrem Anschluss aus seien am 04.08.2008 um 22:46 Uhr 537 Musikdateien zum Herunterladen zur Verfügung gestellt worden.
Als Anschlussinhaber jedenfalls haftbar??
Eine nähere Konkretisierung erfolgte nicht. Unter anderem heißt es in diesem Schreiben: „Inwieweit Sie die Rechtsverletzungen selbst begangen haben, wurde bislang zwar nicht abschließend geklärt, als Inhaber des verfahrensgegenständlichen Internetanschlusses sind Sie jedoch jedenfalls zur Erstattung der Rechtsverfolgungskosten verpflichtet.
Nicht gekleckert, gleich geklotzt
Bereits dieser Kostenerstattungsanspruch führt dabei - angesichts der regelmäßig in Fällen der vorliegenden Art gerichtlich angenommenen Gegenstandswerte von 10.000 Euro pro verfügbar gemachtem Audiotitel - zu erheblichen Ersatzbeträgen.
Dies verdeutlicht die beispielhafte Berechnung eines Kostenerstattungsanspruchs bei nur zehn zur Verfügung gestellten Musikdateien der o.g. vier Mandanten, aus der sich eine Kostenerstattungsforderung von 2.998,80 Euro ergibt."
Ausweglose Situation suggeriert
Weiter heißt es in dem Schreiben: „Wir weisen zudem darauf hin, dass es Ihnen als Anschlussinhaber bei Bestreiten der eigenen Tatbegehung im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast obläge, substantiiert zur Aufklärung der Frage beizutragen, wer als Täter die über Ihren Anschluss erfolgten Urheberrechtsverletzungen begangen hat." Das entspricht allerdings nicht der Rechtslage.
Vergleichsangebot als einzig gangbare Lösung unterbreitet
Sodann wurde nachfolgend ein Vergleichsangebot in Höhe von 4.000 Euro unterbreitet. Hieran anschließend heißt es: „Auch der Auskunftsanspruch sowie die Obliegenheit, über Namen und Anschrift des unmittelbar Verantwortlichen sowie die weitere Verwertung der Tonaufnahmen Auskunft zu erteilen, hätte sich im Falle einer Einigung erledigt."
Weiter wird erläutert: „Wir hoffen, die vorliegende Angelegenheit auf dieser Grundlage gütlich beenden zu können, weisen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass wir nach fruchtlosem Ablauf der genannten Fristen unseren Mandanten empfehlen werden, die geltend gemachten Forderungen gerichtlich durchzusetzen."
Erfolglos aus dem Vergleich geklagt
Die Anschlussinhaberin unterzeichnete daraufhin eine vorformulierte Vergleichsannahmeerklärung, die unter anderem eine Verpflichtung zur Zahlung von 4.000 Euro enthält – und zwar zur Abgeltung der am 04.08.2008 um 22:46 Uhr über ihren Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung. Weil sie den Betrag nicht aufbringen konnte, verklagten sie die Abmahner auf Zahlung.
Vertragsschluss beruht auf Betrug
Doch da hatten sie die Rechnung ohne das Amtsgericht Düsseldorf gemacht. Das Gericht entschied nämlich, dass dem Anspruch aus dem außergerichtlichen Vergleich die Einrede der Arglist gemäß §§ 853, 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB entgegen steht. Trotz der Formulierung der Vorschrift des § 853 BGB handele es sich um einen von Amts wegen zu berücksichtigen Einwand, weil die Regelung einer besondere Ausprägung der unzulässigen Rechtausübung darstellt.
Die Vorschrift lautet: „Erlangt jemand durch eine von ihm begangene unerlaubte Handlung eine Forderung gegen den Verletzten, so kann der Verletzte die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Anspruch auf Aufhebung der Forderung verjährt ist.“
Von § 853 BGB umfasst seien insbesondere auch Forderungen aus einem Vertrag, die durch unerlaubte Handlung begründet worden sind und zwar auch dann, wenn die Gegenseite die Anfechtung nicht erklärt hat oder die Anfechtungsfrist abgelaufen ist. Hierzu gehört laut Richterspruch insbesondere auch der durch betrügerisches Verhalten bewirkte Vertragsschluss.
Anwalt muss fair bleiben
Der Kläger habe den Vergleichsschluss hier durch betrügerische Handlung gemäß § 263 StGB erlangt, indem er die Beklagte gezielt über die Rechtslage hinsichtlich der Haftung des Anschlussinhabers getäuscht und ihr dadurch vorgespiegelt habe, sich in einer derart ausweglosen Situation zu befinden, dass die Unterzeichnung des außergerichtlichen Vergleichs über 4.000 Euro für sie die wirtschaftlich günstigste Möglichkeit sei. Auch Rechtsauffassungen stellen nach Ansicht des Gerichts Tatsachen gemäß § 263 Abs. 1 StGB dar, wenn durch ihre Äußerung beim Empfänger der Eindruck erweckt wird, es handele sich hierbei um allgemein anerkannte rechtliche Auffassungen, denen ein Gericht im Falle eines Prozesses folgen wird.
„Anders als im Zivilprozess, dessen abschließenden Entscheidungen durch einen selbst rechtlich kompetenten Richter ergehen, besteht bei einer außergerichtlichen Darstellung von Rechtsauffassungen gegenüber einem Verbraucher mit dem Ziel, diesen zu einer Zahlungsverpflichtung durch Vergleich zu bewegen, auch im Hinblick auf die Eigenschaft von Rechtsanwälten als Organ der Rechtspflege und dem damit verbundenen besonderen Vertrauen, das Rechtsanwälte auch dann genießen, wenn sie auf Seiten einer Partei tätig sind, die Verpflichtung deutlich zu machen, dass bestimmte vertretene Rechtauffassungen nicht im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung stehen“, betonte das Gericht.
Den Eindruck erweckt, es handele sich um allgemein anerkannte Rechtsauffassungen,
Das Gericht stellte fest, dass der Kläger der Beklagten in ihrem Abmahnschreiben eine unzutreffende der Beklagten ausweglos erscheinende Rechtslage vorgespiegelt hat.
Somit liege eine Täuschungshandlung gemäß § 263 Abs. 1 StGB vor, „die geeignet ist einen Irrtum über die in der Rechtsprechung anerkannte Rechtslage auszulösen, der wiederum Grundlage einer Vermögensverfügung durch Abschluss des Vergleichsvertrages ist, wobei in der Begründung dieser Verbindlichkeit bereits ein Vermögensschaden zu erblicken ist“, erläuterte das Gericht und fügte hinzu, dass in dem Versenden des täuschenden Abmahnschreibens nebst vorformulierter Vergleichserklärungen zumindest ein versuchter Betrug gemäß §§ 263, 22, 23 StGB liege.
(AG Düsseldorf, Urteil v. 8.10.2013, 57 C 6993/13).
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