Müssen Fußballklubs künftig für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen zahlen?
Die finanziell eher klamme Hansestadt Bremen hat in der Vergangenheit häufig unter den erheblichen Belastungen gelitten, die durch immense Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen im Weserstadion entstanden sind, wenn gewaltbereite Fans verfeindeter Fußballklubs aufeinander trafen. Der Senat der Hansestadt hat mehrfach erklärt, nicht mehr für die Kosten dieser gigantischer Polizeieinsätze aufkommen zu wollen, die erforderlich sind, um schwere Handgreiflichkeiten zwischen den Fans verschiedener Fußballklubs bzw. den jeweiligen Hooligans zu verhindern oder einzudämmen.
Spezielles Bremer Gesetz zur Kostenabwälzung
Der Bremer Senat hat daher eine Vorschrift in das Bremische Gebühren- und Beitragsgesetz aufgenommen, wonach übermäßige Kosten von Polizeieinsätzen auf Veranstalter abgewälzt werden können. § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes bestimmt unter anderem:
„Eine Gebühr wird von Veranstaltern oder Veranstalterinnen erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird.“
Gewaltexzesse sind anlässlich bestimmter Spiele schon Tradition
Zu den traditionell zu Gewaltexzessen führenden Begegnungen zwischen SV Werder Bremen und dem Hamburger SV flatterten der DFL bereits seit dem Jahr 2015 regelmäßig Gebührenbescheide für Polizeieinsätze ins Haus.
Ein exemplarischer Gebührenbescheid der Hansestadt Bremen nach der Begegnung zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV am 19. April 2015 im Bremer Weser Stadion über 425.718,11 Euro wurde schließlich Gegenstand eines zwischen der Hansestadt und dem DFL ausgetragenen Rechtsstreit.
Das Verwaltungsgericht entschied noch zugunsten der Fußballer
Das zunächst angerufene VG sah keine Gebührenpflicht des DFL entschied.
- Nach Auffassung des VG ist die Herstellung von Sicherheit und Ordnung im Umfeld eines Bundesligaspiels grundsätzlich Aufgabe der staatlichen Organe.
- Die Kosten hierfür dürften nicht auf die Veranstalter abgewälzt werden.
Doch das OVG sah die Fußballer gebührenrechtlich im Abseits.
OVG verweist auf die finanziellen Interessen der Klubs
Nach Auffassung des OVG in zweiter Instanz darf der von den Fußballklubs angestrebte wirtschaftliche Erfolg bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen nicht außer Betracht bleiben. Die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Gebührenbescheids folgt nach Auffassung des OVG aus § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes.
- Aufgrund dieser Vorschrift könne eine Gebühr für den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte zulässigerweise an die besondere Verantwortlichkeit eines Beteiligten, hier der DFL, anknüpfen.
- Als Veranstalterin ziehe u.a. die DFL den wirtschaftlichen Nutzen aus der Durchführung eines Spiels.
- Die DFL habe an der störungsfreien Durchführung der Spiele daher ein besonderes Interesse.
- Die Größe der Veranstaltung erhöhe die Attraktivität und sei bewusst darauf angelegt, möglichst viele Zuschauer anzuziehen.
- Gleichzeitig folge aus der Größe der Veranstaltung ein erhöhtes Gefahrenpotenzial.
- Gerade aufgrund der staatlichen Leistungen für eine Erhaltung der Sicherheit und damit eine ordnungsgemäße Durchführung der Spiele sei der wirtschaftliche Erfolg der Fußballvereine überhaupt erst möglich.
Es sei gerechtfertigt, die Kosten zur Abwendung der damit verbundenen Gefahren, auf die Nutznießer der Veranstaltung abzuwälzen, wohingegen eine Abwälzung der Kosten auf die Allgemeinheit eher nicht angemessen wäre. |
Kostenabwälzung auf Vereine verfassungsrechtlich unbedenklich
§ 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes ist nach Auffassung des OVG auch verfassungsgemäß:
- Die Vorschrift enthalte kein verbotenes Einzelfallgesetz im Sinne des Art. 19 Abs.1 Satz 1 GG. Die Vorschrift betreffe nämlich nicht nur Fußballspiele, sondern grundsätzlich sämtliche Großveranstaltungen.
- Die Vorschrift sei auch ausreichend bestimmt im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG, da sie nur Maßnahmen erfasse, wie erforderlich sind, um Gewalthandlungen zu unterbinden.
- Die mögliche Inanspruchnahme sei für die Veranstalter auch bereits im Vorfeld erkennbar, denn der Veranstalter müsse vor der Veranstaltung über die voraussichtliche Gebührenpflicht unterrichtet werden.
- Auch sei die erhobene Gebührenhöhe angemessen im Hinblick auf die Wirtschaftskraft der Fußballklubs sowie der DFL und verstoße daher nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.
Die Veranstalter haften als Gesamtschuldner
Nach dem Diktum des OVG war die Klägerin Mitveranstalterin des Spiels und durfte daher als Gebührenschuldnerin in Anspruch genommen werden. Nach § 13 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes würden sämtliche Veranstalter als Gesamtschuldner haften. Den internen Ausgleich müssten diese dann untereinander regeln.
DFB rügt Privatisierung der Gefahrenabwehr
Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer bewertete die Entscheidung als einen guten Tag für die Steuerzahler. DFB-Chef Reinhard Grindel erklärte die rechtliche Wertung des OVG für juristisch falsch.
- Störer seien nicht die Fußballvereine und auch nicht die Fans,
- Störer seien allein die wenigen Gewalttäter, die den Fußball als Plattform für Gewalttaten ausnutzen.
Der Kampf gegen Gewalt dürfe nicht privatisiert und kommerzialisiert werden, er bleibe Aufgabe der Polizei. |
Bremen fordert bereits 1,5 Mio Euro von der DFL
Bremen ist bisher das einzige Bundesland, das die Mehrkosten für die Bewachung riskanter Partien dem DFL in Rechnung stellt. Für fünf Spiele sind inzwischen ca. 1,5 Millionen Euro fällig. Wenn man sehr viel Geld mit der Durchführung der Liga verdient, sei angemessen, nicht alle Kosten der Allgemeinheit in Rechnung zu stellen, begründete Bremens Innensenator Mäurer die Gebührenbescheide der Hansestadt.
Weitere Kostenbescheide für Fußball-Polizeieinsätze im Anmarsch
Am kommenden Samstag findet das so genannte Nordderby inzwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV statt. Potentielle Fankrawalle werden schon jetzt erwartet. Verstärkte Polizeieinsätze sind daher nicht zu vermeiden. Der nächste Kostenbescheid kommt bestimmt.
BVerwG hat das letzte Wort
Der Präsident von Werder Bremen, Hubertus Hess-Grunewald, verwies darauf, dass im Endeffekt die Kosten an den Vereinen hängen bleiben werden. Allein Werder müsse mit Mehrkosten von mindestens 1 Million Euro pro Saison rechnen, sollte das Urteil auch vor dem BVerwG Bestand haben. Die Revision ist bereits fest angekündigt. Das OVG hat die Revision zum BVerwG ausdrücklich zugelassen. Das letzte Wort dürfte also in Leipzig gesprochen werden.
(OVG Bremen, Urteil v. 21.2.2018, 2 LC 139/17).
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