Höhere Entschädigung für unschuldig Inhaftierte
Die Forderung des DAV von 100 EUR Entschädigung pro Hafttag wurde damit zwar nicht erfüllt, zumindest aber wurde die Entschädigungssumme für zu Unrecht erlittenen Freiheitsentzug damit auf einen einigermaßen ernst zu nehmenden Betrag erhöht. Mit der jetzigen Erhöhung liegt Deutschland im europäischen Vergleich bei weitem noch nicht an der Spitze. In den skandinavischen Ländern werden zwischen 150 und 200 EUR pro Hafttag gezahlt.
Die wichtigsten betroffenen Fallgruppen
Betroffen von der Erhöhung sind in der Bundesrepublik pro Jahr immerhin ca. 400 Personen, die durchschnittlich zu Unrecht von der Justiz ihrer Freiheit beraubt werden. Hierzu gehören die Fälle
- zu Unrecht erlittener Untersuchungshaft, wenn sich im Nachhinein bestehende Verdachtsmomente nicht erhärten ließen, § 2 StrEG,
- der Freiheitsentzug infolge einer zu Unrecht erfolgten richterlichen Verurteilung,
- die Fälle, in denen der Betroffene in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen oder dort die Bestrafung aufgehoben oder gemildert wird, § 1 StrEG
- sowie die einstweilige Unterbringung, § 2 Abs. 2 Nr. 1 StrEG.
Die Anhebung war seit Jahren überfällig
Seit 2019 beträgt die Entschädigung für zu Unrecht erlittene Haft pro Tag 25 EUR. Dieser Betrag wurde lange vom DAV, von Menschenrechtsorganisationen und auch von den meisten politischen Parteien als deutlich zu gering kritisiert, ohne dass etwas geschah. Den endgültigen Anstoß zur jetzigen Erhöhung hatte das Land Hamburg gegeben. Bereits im November 2017 hat sich die Justizministerkonferenz der Länder auf Initiative Hamburgs für die Erhöhung ausgesprochen. Begründung: Der Freiheitsentzug sei das schärfste Schwert des Rechtsstaates gegenüber seinen Bürgern. Werde dieses Schwert zu Unrecht eingesetzt, so müsse der Staat Wiedergutmachung leisten, die über einen bloß symbolischen Betrag hinausgeht.
Haftentschädigung zum Ausgleich immaterieller und materieller Schäden
Die Haftentschädigung dient zunächst dem Ausgleich immaterieller Schäden der Betroffenen, sie ist eine Art Schmerzensgeld für den erlittenen Freiheitsentzug. Entstandene finanzielle Schäden, beispielsweise infolge Verdienstausfalls, sowie andere infolge der Haft erlittene Vermögensschäden werden ebenfalls ersetzt, § 7 StrEG. Allerdings trägt der Betroffene für materielle Vermögensschäden die volle Beweislast und muss beispielsweise einen durch die Haft erlittenen Verdienstausfall im einzelnen belegen. Besonders für Selbstständige ist dies häufig ausgesprochen schwierig. Ähnliches gilt für ausgebliebene Beitragszahlungen zur Rentenversicherung.
Bei selbstverschuldeter Inhaftierung können Ansprüche entfallen
Hat der Betroffene seine Inhaftierung oder Verurteilung durch unrichtige Angaben oder dadurch, dass er vorwerfbar entlastende Momente nicht rechtzeitig vorgebracht hat, selbst mitverschuldet, so können die Ansprüche auf Schadenersatz und auch die Haftentschädigung gemäß § 6 StrEG gekürzt werden oder komplett entfallen.
Hinweis
Für die Geltendmachung der Entschädigungsansprüche bei zu Unrecht erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen gelten teilweise Fristen, so beispielsweise bei einer Einstellung des Verfahrens durch die StA eine Frist von einem Monat nach Erhalt der Einstellungsmitteilung, § 9 Abs. 1 Satz 4 StrEG.
DAV kritisiert Erhöhung als zu zaghaft
Der DAV begrüßt die Erhöhung zwar grundsätzlich, hält sie aber nach wie vor für unzureichend. Die Präsidentin des DAV, Edith Kindermann, kommentierte die Erhöhung sinngemäß mit den Worten, der Rechtsstaat müsse sich auch daran messen lassen, wie er mit Fehlern umgeht. Habe er einem Menschen zu Unrecht seine Freiheit entzogen, so müsse er diesen Verlust zumindest symbolisch aufwiegen, einen realen Ausgleich für zu Unrecht entzogene Freiheit könne er ohnehin nicht leisten.
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