Kein Anspruch auf Ordnungsmaßnahme gegen einen Mitschüler
Tatort war eine südhessische Gesamtschule. Im Rahmen eines Streits hatte ein Mitschüler einem Schüler der neunten Klasse einen kräftigen Schlag ins Gesicht versetzt. Der verletzte Schüler machte geltend, sich an der Schule nicht mehr frei bewegen zu können, ohne Angst haben zu müssen, von dem Mitschüler erneut angegriffen zu werden. Er forderte die Schule daher auf, im Wege einer Ordnungsmaßnahme den Mitschüler von der Gesamtschule zu entfernen oder zumindest einer anderen Klasse zuzuweisen. Nachdem die Schulleitung sich weigerte, zog der Schüler vor das Verwaltungsgericht und beantragte dort, im Wege der einstweiligen Anordnung den Angreifer einer anderen Klasse zuzuweisen.
Rechtswidrige Körperverletzung
Das mit der Sache befasste VG stellte klar, dass es sich bei dem Angriff um eine rechtswidrige Körperverletzung handelte, die durch nichts zu entschuldigen sei. Damit seien die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Entfernung des Angreifers aus der bisherigen Schulklasse gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 4 des Hessischen SchulG erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist die Entfernung eines Schülers aus einer Klasse grundsätzlich möglich, wenn der Schüler gegen eine Rechtsnorm oder gravierend gegen die Schulordnung verstoßen hat oder der Schutz anderer Personen eine solche Maßnahme erfordert.
Ordnungsmaßnahme im Ermessen der Schule
Nach dem Verwaltungsgericht erfordert das Hessische SchulG eine solche Ordnungsmaßnahme jedoch nicht zwingend, sondern stellt diese unter das Ermessen der Schulleitung bzw. der Schulaufsichtsbehörde. Selbst wenn man davon ausgehe, dass vorliegend die Verhängung einer Ordnungsmaßnahme dringend erforderlich sei, so liege es doch im Ermessen der Schulbehörde, welche von mehreren möglichen Ordnungsmaßnahmen sie ergreife. Keinesfalls habe ein Mitschüler einen Anspruch darauf, dass die Schulbehörde oder Schulleitung genau die von ihm gewünschte Ordnungsmaßnahme gegen den Mitschüler verhängt.
Anspruch nur bei Ermessensreduktion auf Null
Etwas anderes gilt nach den Darlegungen des VG lediglich dann, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen keine andere Entscheidung als die Entfernung des Schülers aus der Schulklasse mehr möglich ist. Nur in diesem Fall der Ermessensreduzierung auf Null müsse die Schule die Verhängung der konkreten Ordnungsmaßnahme gegen den Mitschüler anordnen. Eine solche Ermessensreduzierung konnte das VG vorliegend jedoch nicht feststellen. Auf den beanstandeten Vorfall habe die Schulleitung angemessen reagiert, indem sie den Angreifer für mehr als eine Woche von der Teilnahme am Unterricht ausgeschlossen habe. Anschließend habe im Rahmen einer Mediation ein Gespräch der Beteiligten mit dem Schulpfarrer stattgefunden. Hierbei habe der Angreifer sich entschuldigt. Weitere Vorkommnisse seien in der Folgezeit auch nicht zu verzeichnen gewesen. In seinem Abschlussbericht bemerkte der Schulleiter, dass es von Seiten des Angreifers keinerlei Bedrohungen gegenüber dem Antragsteller mehr gegeben habe.
Pädagogische Wertungen bleiben der Schule vorbehalten
Weiter ist es nach dem Gericht nicht zu beanstanden, wenn die Schulleitung in ihrer pädagogischen Wertung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass eine Entfernung des Angreifers aus der Schulklasse nicht zwingend erforderlich sei. Auch die vom Antragsteller vorgebrachten ständigen Kopfschmerzen ließen keine andere Bewertung zu, da nach den Feststellungen eines Sachverständigen diese mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf die Körperverletzung durch den Mitschüler zurückzuführen waren. Es handle sich eher um eine juvenile Migräne. Im Ergebnis waren nach Auffassung des VG die von der Schule angeordneten Maßnahmen ausreichend. Die pädagogische Begründung bleibe im übrigen Sache der Schule und könne vom Gericht nicht in ihren Einzelheiten überprüft werden. Das Gericht lehnte daher den Antrag auf Entfernung des Mitschülers aus der Klasse ab.
(VG Darmstadt, Urteil v. 16.07.2014, 3 L 879/14.DA)
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