Mangelhafte Korruptionsprävention im deutschen Parlament

Die Staatengruppe des Europarates gegen Korruption erteilt Deutschland eine Rüge, weil die 5 Jahre alten Empfehlungen für internationale Standards bei der Korruptionsprävention für Abgeordneten, Richtern und Staatsanwälten in wesentlichen Teilen nicht umgesetzt wurden. Schlusslicht sind der deutsche Bundestag und seine Abgeordneten, die Antikorruptionsreformen blockieren.

Besonders das deutsche Parlament tut eindeutig zu wenig zur wirksamen Korruptionsbekämpfung, lautet die lapidare Feststellung der Antikorruptionsexperten. Die bereits im Jahr 2014 beanstandeten Schwachpunkte seien bis heute nicht oder kaum ausgemerzt.

Zur Staatengruppe gegen Korruption „Greco“ gehören 49 Saaten weltweit

Die Staatengruppe gegen Korruption „Greco“ (Group of States against Corruption) wurde 1999 von 17 Mitgliedern des Europarates gegründet. Die Organisation besteht inzwischen weltweit aus insgesamt 49 Staaten, zu denen die Bundesrepublik Deutschland und auch die USA gehören. Gegenseitiges Monitoring soll helfen, die Einhaltung internationaler Standards bei der Korruptionsbekämpfung zu kontrollieren.

"Greco"-Inspektionen münden in Antikorruptionsempfehlungen

Es finden regelmäßig Inspektionen in den einzelnen Staaten statt. Auf deren Grundlage sowie mithilfe von Fragebögen werden Berichte gefertigt, die in Abstimmung mit dem jeweils betroffenen Staat gemeinsam fertiggestellt und nach Beratung im Plenum der Greco verabschiedet werden.

Auf der Grundlage dieser Berichte werden Empfehlungen an die betroffenen Staaten erarbeitet. Sowohl die Berichte als auch die Empfehlungen werden nur veröffentlicht, wenn der betroffene Mitgliedstaat einverstanden ist.

Lieber korrupt? "Greco"-Empfehlungen in Deutschland nur unzureichend umgesetzt

Wie die Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ am 9.8.2019 berichtete, hat die Greco nun einen Compliance-Bericht zur Umsetzung der Empfehlungen zur Korruptionsprävention in Deutschland vorgelegt.

  • Von acht im Jahr 2014 gegebenen Empfehlungen habe Deutschland nach dem Bericht nur drei Empfehlungen zufriedenstellend umgesetzt.
  • Zwei Empfehlungen seien zumindest in Gang gesetzt worden,
  • drei weitere nur teilweise.

Vier der Greco-Beanstandungen beziehen sich auf den Deutschen Bundestag.

Abgeordnete legen ihre Interessenkonflikte nicht offen

Kritisiert wird insbesondere, dass der Bundestag, das zweitgrößte Parlament der Welt,  nur sehr spärliche Fortschritte im Hinblick auf die fehlende Transparenz des parlamentarischen Prozesses gemacht habe.


Die Verhaltensregeln für Abgeordnete im Zusammenhang mit der Lösung von Interessenkonflikten sowie die Kontrolle der Umsetzung der Verhaltensregeln für Abgeordnete lasse zu wünschen übrig.

Die Verpflichtungen der Abgeordneten zur Offenlegung bestehender möglicher privater Interessenkonflikte seien lückenhaft.

Finanzielle Beteiligungen der Abgeordneten wenig übersichtlich

Die Verpflichtung von Abgeordneten, Unternehmensbeteiligungen anzuzeigen seien nicht hinreichend. In diesem Punkt blockiere das Parlament regelrecht Reformen, die die derzeit für die Offenlegungspflicht erforderlichen Unternehmensanteile von mindestens 25 % herabsetzen könnten.

Undurchsichtiges Treiben der Lobbyisten

Greco beanstandet weiter, dass der Bundestag immer noch über keine klaren Regeln zum Umgang mit Lobbyisten verfüge. Für die Öffentlichkeit sei der Einfluss der Lobbyisten auf einzelne Abgeordneten und damit auf parlamentarische Entscheidungen nicht durchschaubar. Positiv bewertete Greco in diesem Zusammenhang, dass die schriftlichen Stellungnahmen von Lobbyisten zu Gesetzesinitiativen seit einiger Zeit veröffentlicht werden müssen.

Kaum Kontrolle der Abgeordneten

Ein schlechtes Zeugnis stellten die Autoren des Berichts den Kontrollmechanismen des Parlaments aus. Man könnte auch sagen, es existieren keine. Der Deutsche Bundestag selbst verweist darauf, die Zahl der Mitarbeiter, die die Einhaltung der Verhaltensregeln für Abgeordnete kontrollieren, kürzlich von zwei auf drei erhöht zu haben. Dies halten die Inspektoren von Greco für völlig unzureichend.

Verstöße gegen Antikorruptionsregeln durch Abgeordnete würden in der Regel nicht durch das Parlament, sondern durch die Medien entdeckt. Es existiere keine unabhängige Kontrollkommission.

Dauerthema Parteienfinanzierung

Schon im Juni 2019 hatte der Europarat kritisiert, dass die Spenden an Parteien in Deutschland unzureichend geregelt seien:

  • Die Schwelle von 50.000 Euro, ab der Spenden dem Bundestagspräsidenten gemeldet werden müssen, sei deutlich zu hoch.
  • Auch müssten anonyme Spenden komplett verboten werden.

Abgeordnete und/oder Wahlkandidaten, die direkt Spenden kassieren, müssten verpflichtet werden, darüber Rechenschaft abzulegen. Greco fordert, dass die Mittel des Bundestagspräsidenten, die Parteienfinanzierung zu überwachen, deutlich aufgestockt werden.

Antikorruptionsbericht soll veröffentlicht werden

Der Präsident des Bundestages, Wolfgang Schäuble, äußerte gegenüber dem Tagesspiegel die Zuversicht, dass die Fraktionen die Empfehlungen der Greco in der Rechtsstellungskommission genau prüfen und die deutsche Rechtslage mit den Empfehlungen in Einklang bringen würden. Der Bericht der Greco soll auch kurzfristig zur Veröffentlichung freigegeben werden.

Fazit: Der Bericht ist für den Bundestag kein Ruhmesblatt und es gibt noch einiges zu tun. Bei aller Kritik sollte aber auch nicht übersehen werden, dass die Bundesrepublik Deutschland bei der Gesamtbewertung der Korruptionsbekämpfung durch die Greco im internationalen Vergleich weit vorne liegt.




Hintergrund: Korruptionsprävention in anderen Bereichen 

Korruption ist ein weltweit verbreiteter Spaltpilz, der das Vertrauen in die Integrität und Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft untergräbt. Ist das Vertrauen in der Bevölkerung in eine unabhängige Verwaltung und Wirtschaft erst einmal verloren, dauert es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, das verlorene Vertrauen wieder zurückzugewinnen, zumal die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung die "Zeche" für korruptes Handeln zahlt. Diese Zusammenhänge will der Welt-Anti-Korruptionstag jährlich immer wieder ins Bewusstsein rufen.

Auch in der öffentlichen Verwaltung rückt das Thema Korruptionsprävention zunehmend in den Fokus. Dies gilt vor allem in Bezug auf Vergabeverfahren wie beispielsweise im Bauwesen. Neben möglichen finanziellen Schäden gilt es hier auch einen drohenden Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität der öffentlichen Verwaltung zu vermeiden →Neue Anti-Korruptionsrichtlinie von RICS gilt ab September 2019.


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