Der NSU-Prozess hat Folgen auch für die Anwälte
Die Verteidiger von Beate Zschäpe müssen gerade lernen, mit solchen Erfahrungen umzugehen. Dies trifft besonders auf die Verteidigerin Anja Sturm zu, die ihre Berliner Kanzlei aus diesen Gründen verlässt. Einerseits fühlte sie sich gegen Anfeindungen auch aus der Mandantschaft der Kanzlei durch ihre Kollegen nicht hinreichend geschützt, umgekehrt soll zumindest ein Kollege sich durch den entstandenen Rechtfertigungsdruck gegenüber Mandanten persönlich belastet gefühlt haben. Die hierdurch entstandenen innerkanzleilichen Zwistigkeiten haben inzwischen dazu geführt, dass die Anwältin sich von ihrer Kanzlei getrennt hat und mit ihrer Familie nach Köln zieht. Ihre Bemühungen, in Berlin Aufnahme in einer adäquaten Kanzlei zu finden, waren zuvor gescheitert.
Berliner Anwaltsverein erklärt uneingeschränkte Solidarität
Der Berliner Anwaltsverein beeilte sich nun, darauf hinzuweisen, dass jeder Mensch das Recht auf eine professionelle Strafverteidigung habe, auch Rechtsradikale. Dies sei eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit betonte der Vorsitzende des Anwaltsvereins Ulrich Schnellenberg. Sturm bedankte sich für die (späte) Unterstützung. Ihren Umzug nach Köln hat sie aber bereits am vergangenen Wochenende vollzogen. Sie betreibt jetzt mit ihrem Mitstreiter im Zschäpe-Prozess, Wolfgang Heer, eine gemeinsame Kanzlei.
Der Preis eines ungewöhnlichen Mandats
Die Frage stellt sich unwillkürlich, ob dieser Preis für die Übernahme eines Verteidiger-Mandats in einem Rechtsstaat angemessen ist. Letztlich ist ein solcher Preis die unausweichliche Folge, wenn der Mitbegründer der Berliner Heimatkanzlei, Axel Weimann, seine Aufgabe darin sieht, öffentlich zu erklären, er selbst habe ein solches Mandat „niemals angenommen“. Sturm war auch aussichtsreiche Kandidatin für die Wahl zum Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger. Dort scheiterte sie. Ein Schelm, der Böses dabei denkt und einen Zusammenhang sieht.
Die „Corporate-Identity“ der Kanzlei darf nicht gefährdet werden
Der Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Burkhard Lischka wies darauf hin, es sei schlicht Aufgabe der Anwaltschaft, dafür zu sorgen, dass auch einer Person wie Frau Zschäpe eine ordnungsgemäße Verteidigung zuteil werde. Andere haben aber Verständnis dafür gezeigt, dass eine Kanzlei auf ihre „Markenidentität“ achten müsse und sie daher auch nicht jedes beliebige Mandat übernehmen könne. Dies sei auch eine Frage der Außendarstellung der Kanzlei. Der dritte Verteidiger von Beate Zschäpe, Wolfgang Stahl aus Koblenz, bemerkte hierzu, für ihn sei von Anfang an klar gewesen, dass die Verteidigung im Zschäpe-Prozess seine allgemeine Beliebtheit nicht unbedingt steigern würde. Es sei aber auch übertrieben, von einem „Killer-Mandat“ zu sprechen.
Reich macht ein solches Mandat nicht
Der bekannte Strafverteidiger Stefan Conen wies in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ darauf hin, dass die Übernahme einer solchen Verteidigung keineswegs besonders lukrativ sei. Für das sehr umfangreiche Vorverfahren und Aktenstudium erhalte der Pflichtverteidiger unter 1.000 EUR, für die einzelnen Verhandlungstage deutlich weniger als 500 EUR. Insofern treffen die hämischen Berichte der Boulevard-Presse, die Zschäpe-Anwälte übernachteten und feierten in einem bekannten Münchner Hotel den Kern der Sache kaum. Ob das Renommee der Verteidiger als Folge des Prozesses steigt und sich nach Abschluss des Verfahrens die Mandatsübernahme wirtschaftlich auszahlt, ist ebenfalls zweifelhaft, zumal sämtliche Zschäpe-Verteidiger keinen Zweifel daran lassen, dass das Gedankengut der rechten Szene ihnen nicht eigen ist. Folgemandate aus der rechten Szene dürften also eher fraglich sein.
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