Rabiater Richter von Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung freigesprochen
Haftbefehle erst nach acht Tagen aufgehoben
Wegen der Haftbefehle, welche erst nach acht Tagen aufgehoben wurden, verurteilte das LG Potsdam den beklagten Richter wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung
- weil keine Haftgründe vorgelegen hatten
- und der Richter unzuständig war,
und Rechtsbeugung auch durch den Verstoß gegen Verfahrensvorschriften begangen werden kann, zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurden.
Durch den Jahresgeschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt wurde die Zuständigkeit für ermittlungsrichterliche Befugnisse ausdrücklich zwei namentlich benannten Richtern, nicht jedoch dem handelnden Richter zugewiesen.
Dieses Urteil hob der Bundesgerichtshof später allerdings wieder wegen Verfahrensfehlern auf. Nach erneuter Hauptverhandlung sprach das Landgericht Potsdam den Richter frei.
Zweimal vor dem BGH gelandet
Der BGH hob den Freispruch wieder auf und wies die Potsdamer Richter an, noch zu prüfen, ob sich der Angeklagte gemäß früheren Äußerungen für den Erlass zweier Haftbefehle zu diesem Zeitpunkt für zuständig hielt.
Inhaltlich seien die Haftentscheidungen nicht zu beanstanden, das weitere Verhalten des Richters belege den Vorwurf der Rechtsbeugung nicht.
Richter hielt sich für zuständig für Haftbefehle
Nach weiteren Feststellungen des Landgerichts Potsdam hielt sich der angeklagte Richter ür zuständig – dies insbesondere aufgrund einer engen Verflechtung aller Tatvorwürfe, der gegen alle Verhafteten vorgenommenen Durchsuchungshandlungen und der von ihnen gemeinsam in dem anhängigen Strafverfahren möglicherwiese begangenen Verdunkelungshandlungen.
Kein Vorsatz, das Recht unrichtig anzuwenden
Damit fehlte dem Angeklagten nach Ansicht des BGH der Vorsatz, das Recht unrichtig anzuwenden. Deshalb hat der Bundesgerichtshof den Freispruch des Angeklagten jetzt rechtskräftig bestätigt. Hoffentlich nicht mit Blick auf oder in die Hüttenstädter Prozessordnung.
BGH Urteil vom 10.5.2017 - 5 StR 19/17
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Hintergrund
Nach dem Gesetzeswortlaut liegt Rechtsbeugung vor, wenn ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft (§ 339 StGB).
Wer kommt als Täter in Betracht?
Rechtsbeugung ist ein Sonderdelikt, d.h. ein Delikt, das nicht jedermann, sondern nur ein bestimmter Personenkreis begehen kann. Dazu gehören:
• Berufsrichter und ehrenamtliche Richter (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB),
• andere Amtsträger, sofern sie eine Rechtssache wie ein Richter zu leiten oder zu entscheiden haben wie Rechtspfleger, Staatsanwälte und Schiedsrichter im Sinne des 10. Buchs der Zivilprozessordnung.
Tathandlung
Tathandlung ist die bewusst falsche Anwendung des Rechts zum Vor- oder Nachteil einer Partei. Vom Begriff „Recht“ im Sinne des § 339 StGB sind erfasst:
• Gesetzesrecht,
• Gewohnheitsrecht und
• das von den Parteien geschaffene Vertragsrecht.
• Nach herrschender Ansicht auch überpositives Recht, wobei Rechtsbeugung nur in Betracht kommt, wenn sich positives Recht so offenkundig als gesetzliches Unrecht erweist, dass es „unter Missachtung der Menschenwürde Gerechtigkeit nicht einmal mehr anstrebt“ .
Der Täter kann neben materiellem Recht auch Verfahrensrecht verletzen.
Als Verfahrensrechtsverletzungen kommen z.B. in Betracht die Nichterhebung von Beweisen, eine Entscheidung trotz Unzuständigkeit oder die Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes.
Verfahrensfehler stellen nur dann eine Rechtsbeugung dar, wenn elementare Rechtsverstöße vorliegen, bei denen sich der Täter bewusst und in schwerer Weise von Recht und Gesetz entfernt.
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