Vergewaltigungsopfer erhält Opferrente nach milder Deal-Strafe

Der Täter einer Vergewaltigung kam Dank eines „Deals“ im Strafprozess mit einer Bewährungsstrafe davon. Deshalb hatte sich die posttraumatische Belastungsstörung des Vergewaltigungsopfers nochmals verstärkt. Dem Missbrauchsopfer wurde daraufhin eine Opferentschädigungsrente zugesprochen.

Mit Hilfe der strafprozessualen Deals die Justiz in der Lage ist, die Flut der Verfahren in einem akzeptablen Zeitrahmen zu bewältigen. Die strafprozessuale Verständigung werde in der Praxis vor allem dazu genutzt, langwierige Beweisaufnahmen abzuwenden und statt dessen Gerichtsurteile auf den Geständnissen der Angeklagten aufzubauen sind aber auch umstritten.

Schwere psychische Störungen nach Missbrauch

Ein Vergewaltigungsopfer konnte sich nicht zur Wehr setzen, weil ein Asthma-Anfall es außer Gefecht setzte, als es nachts in Ludwigsburg auf dem Heimweg war. Die hilflose Situation nutzte der Täter aus und vergewaltigte die 31jährige. Mit den Folgen wird sie wohl ihr Leben lang zu kämpfen haben. Angstzustände und Panikattacken sind seitdem Bestandteil ihres Alltags. Ärzte haben die junge Frau untersucht und

  • eine posttraumatische Belastungsstörung sowie
  • einen Grad der Schädigung (GdS) von 20 diagnostiziert.

Das Landesversorgungsamt hat dies anerkannt.

Mildes Strafurteil verstärkt Krankheit des Opfers

Der Täter wurde ermittelt und kam in Untersuchungshaft. Ein halbes Jahr, nachdem er das Verbrechen an der Frau begangen hatte, wurde ihm der Prozess gemacht. Die Bestrafung des Vergewaltigers hätte der Frau vielleicht helfen, ihre Situation besser zu bewältigen. Das Gegenteil war hier der Fall.

  • Die Ängste des Opfers verstärkten sich noch.
  • Ihr schlechter Gesundheitszustand führte zur Erwerbsminderung.
  • Sie lebt in einer betreuten Wohngruppe, weil sie allein ihr Leben nicht mehr geregelt bekommt.

Ursache war die Milde der Strafe nach einem vorangegangenen „Deal“ zwischen Staatsanwalt und Richter. Dem Täter wurde sein Geständnis honoriert durch eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde und er verließ damit den Gerichtssaal als quasi freier Mann.

Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz

Die Frau beantragte beim Landesversorgungsamt zunächst ohne Erfolg eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz (§ 1 OEG). Ihr Antrag, ihr Widerspruch und auch die Klage vor dem Sozialgericht wurden abgewiesen, weil die Schädigungen nicht das für eine Rente erforderliche Maß erreicht hätten. Die gesetzliche Schwelle für eine monatliche Rentenzahlung liegt bei einem GdS von 30 (§ 31 Bundesversorgungsgesetz).

Erst die Richter des Landessozialgerichts Baden-Württemberg änderten die Entscheidung zugunsten der missbrauchten Frau um. Sie verurteilten das Landesversorgungsamt zur Zahlung einer Beschädigtenrente nach einem GdS von 30, derzeit 141 Euro monatlich.

Strafverfahren als katastrophale Erfahrung

In ihrer Urteilsbegründung erkannten die Sozialrichter an, dass das Strafverfahren eine weitere katastrophale Erfahrung für die Frau darstellte. Die  fehlende Aufarbeitung und Genugtuung für das Opfer, das im Strafverfahren nicht einmal angehört worden sei, obwohl dortige Gutachter ihre Aussagefähigkeit bescheinigt hätten, hätten einen Folgeschaden verursacht und ihren Gesundheitszustand – medizinisch bestätigt – verschlimmert. Eine Rentenzahlung sei gerechtfertigt.

(LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 7.12.2017, L6 VG 6/17).


Hintergrund:

Die Verständigung in Strafverfahren, der sog. „Deal“ ist gesetzlich in § 257c StPO geregelt und in deutschen Gerichtssälen keine Seltenheit. Richter und Staatsanwalt einigen sich über den weiteren Ablauf des Verfahrens und das Ergebnis. Meist wird ein Geständnis gegen ein milderes Strafmaß verhandelt, wie in diesem Fall geschehen. Der Vorteil für den Angeklagten liegt auf der Hand. Der Reiz für Richter und Staatsanwalt liegt darin, dass das Verfahren und der damit verbundene Aufwand deutlich verringert wird.

 

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