Verschärfung der Strafbarkeit bei Stalking und Cyber-Stalking zum 1.10.2021
Im März 2007 wurde mit § 238 StGB der Straftatbestand der „Nachstellung“ in das StGB eingeführt. Zehn Jahre später im Jahr 2017 wurde der Straftatbestand reformiert. Auch nach der Reform war die Anwendung des Gesetzes in der Praxis nicht überzeugend, was mehrfach zu tödlichen Straftaten bereits durch Nachstellung ihrer Opfer aufgefallener Stalker führte. Nun hat der Gesetzgeber nachgebessert. Zum 1.10.2021 tritt das „Gesetz für eine echte effektivere Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings sowie Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Zwangsprostitution“ in Kraft.
Cyberstalking stärker im Fokus
Mit der Reform will der Gesetzgeber den Opferschutz weiter verbessern und dabei insbesondere auch die Zunahme des Cyberstalkings infolge zunehmender technischer Möglichkeiten in den Blick nehmen. Eine bedeutende Rolle spielen hierbei die neuerdings kursierenden speziellen Stalking-Apps, die es den Usern erheblich erleichtern, sich in fremde Systeme einzuhacken.
Einige Stalking-Tatbestandsmerkmale waren bisher zu unklar
Schwierigkeiten haben sich in der Praxis vor allem bei Anwendung der Tatbestandsmerkmale „beharrlich“ sowie des Merkmals „schwerwiegend“ gezeigt. Strafbar war nach bisherigem Recht,
- wer einer Person in einer Weise unbefugt nachstellt,
- die geeignet ist deren Lebensgestaltung „schwerwiegend“ zu beeinträchtigen,
- indem er „beharrlich“ u.a. die räumliche Nähe zu dieser Person sucht,
- den Kontakt über elektronische Hilfsmittel herstellt,
- Bestellungen von Waren und Dienstleistungen für das Opfer vornimmt
- oder Dritte veranlasst, Kontakt mit dem Opfer aufzunehmen.
Was wurde konkret geändert?
Die Reform führt dazu, dass
- statt einer „beharrlichen“ Nachstellung künftig eine „wiederholte“ Nachstellung zur Verwirklichung des Stalking-Tatbestandes ausreicht
- und die Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers nicht mehr „schwerwiegend“ sein muss, vielmehr genügt eine „nicht unerhebliche“ Beeinträchtigung der Lebensgestaltung.
Daneben werden im Handlungskatalog des § 238 Abs. 1 StGB typische Begehungsformen des Cyberstalkings aufgenommen.
Ziel der Reform: Herabsetzung der Strafbarkeitsschwelle
Die neuen Tatbestandsmerkmale sollen die Strafbarkeitsschwelle herabsetzen. Mit dem Begriff „nicht unerheblich“ verbindet der Gesetzgeber niedrigschwelligere Anforderungen an die Eignung des Täterverhaltens zu einer potentiellen Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers als bisher. Als Beispiel nannte das BMJV in der Begründung des Referentenentwurfs den Fall, dass ein Opfer infolge einer länger andauernden Vielzahl von unerwünschten Anrufen des Täters sich veranlasst sieht, die Telefonnummer zu wechseln oder aus einem Verein auszutreten, um dort keinen weiteren Kontaktaufnahmen ausgesetzt zu sein. Folgen dieser Art seien von dem bisherigen Begriff „schwerwiegend“ nicht hinreichend abgedeckt gewesen.
Begriff „wiederholte“ Nachstellungen soll Strafbarkeitsschwelle ebenfalls senken
Die Ersetzung des Begriffs „beharrlich“ durch den Begriff „wiederholt“ soll ebenfalls zu einem besseren Opferschutz führen. Die Evaluierung der bisherigen Gesetzesanwendung hatte ergeben, dass der Begriff „beharrlich“ von den Gerichten unterschiedlich ausgelegt und die Verwirklichung dieses Tatbestandsmerkmals in der Praxis häufig wegen zu hoher Anforderungen verneint wird. Der Begriff „wiederholt“ beinhaltet demgegenüber, dass schon eine geringere Anzahl von Wiederholungen im einstelligen Bereich ausreichend für die Strafbarkeit sein können - so die Begründung des BMJV.
Cyberstalking mit eigenen Regelbeispielen aufgenommen
Schließlich wurde der Katalog der in § 238 Abs. 1 Nummer 1-8 StGB enthaltenen Tathandlungen um spezifische Vorgehensweisen des Cyberstalkings erweitert. Die analogen Tathandlungen werden in den Ziffern 1-3 gelistet, die Tathandlungen im virtuellen Raum sind in den Nummer 4-7 enthalten.
- Der neue § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB soll die Fälle erfassen, in denen sich der Täter einer speziell auf das Stalking ausgelegten Software (App) bedient und sich mit dort enthaltenen Hacking-Methoden Zugang zu E-Mail- oder Social-Media-Kontakten des Opfers verschafft.
- § 238 Abs. 1 Nr. 6 StGB erfasst die Verbreitung von Bildaufnahmen des Opfers oder ihm nahestehenden Personen nebst zugehörigen Textbotschaften.
- Insbesondere soll damit das sogenannte „Revenge Porn“ (Racheporno) unter Strafe gestellt werden, das sich nach den Feststellungen des BMJV in den letzten Monaten erschreckend stark verbreitet und häufig Suizidversuche der Opfer zur Folge hat.
- Mit dem neuen § 238 Abs. 1 Nr. 7 StGB werden Fälle erfasst, in denen Texte oder Zeichnungen unter Vortäuschung einer Urheberschaft des Opfers verbreitet werden und hierdurch das Ansehen des Opfers - beispielsweise durch Verwendung einer stark sexualisierten Sprache - gefährdet wird.
Im besonders schweren Fall bis fünf Jahre Freiheitsstrafe
Die Qualifikationsvorschrift des § 238 Abs. 2 StGB wurde in eine allgemeine Regelung besonders schwerer Fälle umgewandelt. Dadurch soll es den Gerichten ermöglicht werden, den erhöhten Strafrahmen von bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe (statt 3 Jahre im einfachen Fall) flexibler anzuwenden.
Die Strafverschärfung bezieht sich allerdings nur auf die Tathandlungen des § 238 Abs. 1 Nummer 1-7 StGB. Neben den bisherigen Qualifikationstatbeständen der Herbeiführung einer besonderen Gefährdung des Opfers oder einer dem Opfer nahestehenden Person, werden drei weitere besonders schwere Fälle benannt. Dies sind:
- Die tatsächliche Verursachung einer Gesundheitsbeschädigung des Opfers oder einer dem Opfer nahestehenden Person, wobei eine psychische Gesundheitsbeeinträchtigung ausreicht.
- Gemäß § 238 Abs. 2 Nr. 3 u. 4 StGB gelten künftig auch solche Fälle als besonders schwerwiegend, bei denen das Nachstellungsverhalten besonders intensiv ist, weil es zu nahezu täglichen Tathandlungen kommt oder sich diese über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstrecken.
- Auch bei weniger intensivem Stalking soll nach der Gesetzesbegründung der höhere Strafrahmen maßgeblich sein, wenn die Stalkinghandlungen sich über einen Zeitraum von einem Jahr oder mehr erstrecken, es sei denn das Täterverhalten war in diesem längeren Zeitraum von geringer Intensität.
- Die Einstufung der Tat als Verbrechen für den Fall der Verursachung des Todes des Opfers oder eines Angehörigen bleibt gemäß § 238 Abs. 3 StGB in der bisherigen Form erhalten.
Reform steht im Kontext weiterer Strafrechtsänderungen
Die Reform beinhaltet auch eine Verschärfung der Strafbarkeit der Zwangsprostitution gemäß geändertem § 232a Abs. 6 StGB und folgt dem am 22.9.2021 in Kraft getretenen
Gesetzespaket zur „Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, zur Strafbarkeit der Verbreitung des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte sowie Bekämpfung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“.
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