Bodenwelle hebelt Sportwagen auf Autobahn aus – Behördenversagen?

Auto und Straße sollten zusammen passen, das betrifft die Bauweise ebenso wie die Geschwindigkeit. Doch wer haftet, wenn das Zusammenspiel misslingt? Ist der Fahrer selbst schuld, wenn er bei 200 km/h auf der Autobahn von einer riesigen Bodenwelle ausgehebelt wird, die schon zuvor zu einem tödlichen Unfall geführt hatte? Teilweise, urteilte das Landgericht Aachen.

Eine 18 Zentimeter, quer zur Fahrbahn verlaufende, Bodenwelle auf einer Autobahn wurde dem Fahrer eines Ferrari Modena Spider zum Verhängnis. Mit 200 Stundenkilometer war er unterwegs, als er unversehens von der Bodenwelle aus der Bahn geworfen wurde und verunglückte.

Liegt hier eine Amtspflichtverletzung vor?

 Die für den Straßenbau zuständige Behörde war nicht der Ansicht, dass sie in Amtshaftung genommen werden könne. Und das, obwohl es vor diesem Unfall, der für den Fahrer glücklicherweise gut ausging, bereits einen tödlichen Unfall an der besagten Bodenschwelle gegeben hatte.

Behörde sah Schwelle als unkritisch an

Zwar hatte die Polizei schon vor geraumer Zeit

  • empfohlen, eine Warnbeschilderung an der Stelle aufzustellen
  • und die Geschwindigkeit zu begrenzen.
  • Nach einer Vermessung hatte die Behörde die Bodenwelle aber als unkritisch angesehen. 

Die Behörde sah sich nicht in der Haftung, zumal sie dem Ferrari-Fahrer unterstellte, er sei mit Höchstgeschwindigkeit – 293 Stundenkilometer unterwegs gewesen. Der Unfall beruhe auf einem plötzlichen Verlust der aerodynamisch zu begründenden Bodenhaftung.

Streit um Selbstbeteiligung und Höherstufung bei Versicherung

Vor den Landgericht Aachen ging es um die Selbstbeteiligung in Höhe von 5.000 Euro, die der Halter des Fahrzeugs bezahlen musste sowie um die höhere Versicherungsprämie infolge der Rückstufung. 

  • Das Gericht sah eine Amtspflichtverletzung der Behörde gegeben.
  • Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe der hälftigen Selbstbeteiligung. 
  • Nur zur Hälfte Erfolg hat die Klage deshalb, weil die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h deutlich überschritten wurde. 

Behörde hätte zumindest vor Bodenwelle warnen müssen

Verkehrsteilnehmer können erwarten, dass der Straßenbaulastträger im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht diejenigen Gefahren ausräumt oder vor ihnen warnt, die für einen Verkehrsteilnehmer, der die nötige Sorgfalt beachtet,

  • nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und
  • auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einrichten kann

Bei wichtigen Straßen müssen Verkehrsteilnehmer darauf vertrauen können, dass es keine erheblichen Niveauunterschiede gebe, so das Gericht. Das gelte auch in Zeiten knapper Kassen.

Überschreitung der Richtgeschwindigkeit führt zu erhöhter Betriebsgefahr

Das Gericht betonte in seiner Urteilsbegründung, dass es im Schrifttum weithin anerkannt sei, dass eine deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen:

  • zu einer erhöhten Betriebsgefahr führt
  • zur Verschuldenshaftung der Gegenseite führt

Nur wenn die erhöhte Geschwindigkeit keinen Einfluss auf den Unfall hatte, tritt sie hinter einem groben Verschulden des Haftenden völlig zurück. Allerdings führe selbst eine Geschwindigkeit von 200 km/h nicht zu einer Alleinhaftung desjenigen, der die Richtgeschwindigkeit überschreitet.

(LG Aachen, Urteil v. 1.10.2015, 12 O 87/15).


Schlagworte zum Thema:  Verkehrssicherungspflicht, Amtshaftung