Kein Fahrverbot trotz massiven Geschwindigkeitsverstoßes
Eine Frau war mit 111 Stundenkilometern anstatt der zugelassenen 70 auf einer Landstraße unterwegs, auf der die Geschwindigkeitsbegrenzung auf beiden Seiten der Straße beschildert ist.
Augenblicksversagen bei eindeutiger Beschilderung?
Das OLG Zweibrücken beschäftigte sich in dem Fall u.a. mit folgender Frage:
Kann Augenblicksversagen auch angenommen werden, wenn die deutlich überschrittene Geschwindigkeitsbegrenzung klar und eindeutig ist?
Eine für die Betroffene wichtige Frage. Grund:
Bei #Augenblicksversagen können grobe #Verkehrssünden ohne die Konsequeenz eines #Führerscheinentzugs bleiben .
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Keine grobe Pflichtverletzung der Autofahrerin
Das Amtsgericht war von einem Augenblicksversagen ausgegangen. Zwar war zu der Einschätzung gekommen, dass die Autofahrerin ihre Pflichten als Kraftfahrzeugführerin verletzt habe. Allerdings handele es sich nicht um eine grobe Pflichtverletzung i.S.v. §25 Abs. 1 S.1 StVG.
Folgende Punkte spielten bei der Einschätzung eine entscheidende Rolle:
- Zum einen führt die Bundesstraße, auf der die Frau zu schnell unterwegs war, nicht durch den nahegelegenen Ort, sondern an ihm vorbei
- Eine Geschwindigkeitsbegrenzung sei mit so einer Situation ebenso wenig zwingend verbunden wie die Fußgängerunterführung, die die Frau bei ihrem Geschwindigkeitsverstoß passierte
- Die Überschreitung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung sei zwar ein Indiz dafür, dass das Übersehen von Verkehrsschildern auf eine grobe Nachlässigkeit zurückzuführen ist
- Im vorliegenden Fall umso mehr, weil die Frau bereits in den beiden Jahren zuvor Bußgelder wegen Geschwindigkeitsüberschreitung zahlen musste.
Was führt zur Annahme eines Augenblicksversagens?
Das OLG Zweibrücken bestätigte die Annahme eines Augenblicksversagens und untermauerte dies mit folgenden Argumenten:
- Die Betroffene hat die auf Landstraßen allgemein gültige Geschwindigkeit nur um 11 km/h (nach Abzug der Messtoleranz) überschritten
- Da es sich bei der Frau um eine Vielfahrerin handele, sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie auch ohne grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber den Verkehrsregeln gegen diese verstoße
- In der Vielfahrerei sah das Gericht auch den Grund dafür, dass die Geschwindigkeitsverstöße der Vorjahre nicht den Vorwurf rechtfertigen, die Frau habe beharrlich ihre Pflichten verletzt.
Das Amtsgericht ist aus den genannten Gründen zu Recht von einem Augenblicksversagen ausgegangen. Der von ihm vorgenommenen Verdoppelung der Regelgeldbuße von 160 auf 320 Euro schloss sich das OLG allerdings nicht an.
Verdoppelung der Geldbuße nicht angemessen
In seiner Begründung hatte sich das AG auch auf § 4 Abs. 4 der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) gestützt. Das sei rechtsfehlerhaft gewesen, weil § 4 Abs. 4 BKatV nur anwendbar sei, wenn die Voraussetzungen des § 25 StVG vorlägen, wovon das AG ja selbst nicht ausgegangen war.
Das OLG hielt angesichts der Tatsache, dass die Frau in den Vorjahren bereits mehrmals durch Geschwindigkeitsverstöße auffällig geworden war, eine Geldbuße von 240 Euro für angemessen.
(OLG Zweibrücken, Beschluss v. 31.08.2016, 1 OWi 1 Ss Bs 35/16).
Bearbeitungshinweise:
Das #Fahrverbot dient im Ordnungswidrigkeitenrecht als Denkzettel- und #Besinnungsmaßnahme.
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Es soll nach dem Willen des Gesetzgebers aber ausdrücklich an enge Voraussetzungen geknüpft werden. Bei grober oder beharrlicher Pflichtverletzung im Rahmen einer Ordnungswidrigkeit bestimmt § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, dass ein Fahrverbot von ein bis drei Monaten angeordnet werden "kann".
Aufgabe des Verteidigers ist es , dem Gericht "durchgreifenden Anhaltspunkte" für ein Absehen vom Fahrverbot im konkreten Einzelfall nachzuweisen. In geeigneten Fällen ist dies bereits gegenüber der Bußgeldbehörde vorzunehmen, um einen Wegfall des Fahrverbots gegen die Erhöhung der Geldbuße zu erzielen.
Manchmal kommt es sogar zur Geschwindigkeitsüberschreitung ohne Konsequenzen: Immer wieder kann es sich für Betroffene lohnen, gegen ein Bußgeld, das aufgrund einer automatisierten Geschwindigkeitsmessung verhängt wurde, gerichtlich vorzugehen.
Messungen mit dem von den Behörden häufig verwendeten Standardgeschwindigkeitsmessgerät „PoliScanspeed“ wurden in der Vergangenheit aus verschiedenen Gründen von den Gerichten beanstandet, was nicht selten zur Aufhebung von Bußgeldbescheiden führte.
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