Überbreiter Anhänger kollidiert mit geöffneter Tür eines Pkw
Achtlos geöffnete Autotüren beim Ein- und Aussteigen sind immer wieder Ursache für Verkehrsunfälle. Grundsätzlich gelten hier besondere Sorgfaltspflichten.
Im vorliegenden Fall, über den das OLG Celle zu befinden hatte, ging es um einen Verkehrsunfall, bei dem ein Autofahrer sein Auto am rechten Fahrbahnrand kurz vor einer Ampel in einer Parkbucht geparkt und die Fahrzeugtür ca. 40 bis 50 cm geöffnet hatte, um in sein Auto einzusteigen. Die geöffnete Tür ragte allerdings in die Fahrbahn hinein.
Anhänger nahm praktisch die gesamte Fahrbahnbreite ein
Zur gleichen Zeit stand der Beklagte mit seinem Ford Transit, mit dem er einen Anhänger zog, vor der Ampel. Der vier Meter lange Anhänger, eine Arbeitsbühne, war so konstruiert, dass die Radkästen an Vorder- und Hinterachse breiter waren als die dazwischenliegenden Bedienungselemente.
- Insgesamt nahm der Anhänger praktisch die ganze Fahrbahnbreite ein und zwar auf Höhe des Pkw des parkenden Klägers.
- Als sich der Kläger gesetzt hatte und die Fahrertür schließen wollte, fuhr der Ford-Fahrer mit seinem Anhänger los.
- Der hintere rechte Radkasten des Anhängers kollidierte dabei mit der noch geöffneten Tür des Klägers.
Was war beim Öffnen der Fahrzeugtür zu beachten?
Das OLG beurteilte das Verhalten des Klägers wie folgt:
- Der Kläger, hat gegen die ihn nach §14 Abs. 1 StVO treffenden Sorgfaltspflichten verstoßen; er hätte sich beim Einsteigen so verhalten müssen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war
- Hätte er vor dem Öffnen seiner Fahrertür die notwendige Vorsicht gewahrt, hätte er erkannt, dass die Radkästen des Anhängers breiter als der restliche Anhänger sind und es so bei einer Weiterfahrt, mit der er aufgrund der Verkehrslage jederzeit rechnen musste, es zu einer Kollision mit der geöffneten Fahrertür seines Pkw kommen würde
- Dem Kläger hätte zudem klar sein müssen, dass die bestehende Gefahr vom Fahrer des Anhängergespanns nicht erkannt werden würde, da er mit seinem Ford Transit den parkenden Pkw des Klägers bereits passiert hatte
Was war beim bei überbreitem Anhänger zu beachten?
Einschätzung des Gerichts zum Verhalten des beklagten Anhänger-Fahrers:
- Der Anhänger-Fahrer hat nicht gegen die Sorgfaltspflichten verstoßen
- Der Beklagte stand vor einer roten Ampel und wartet darauf, dass es grün wird und die Fahrzeuge vor ihm losfahren würden
- In so einer Situation muss der Führer eines Kraftfahrzeugs sein Augenmerk im Wesentlichen auf die Fahrbahn vor ihm richten, um einen Auffahrunfall im Falle eines plötzlichen Anhaltens des vorausfahrenden Fahrzeugs durch rechtzeitiges Bremsen zu verhindern
25 % Mithaftung des Anhänger-Fahrers
Dennoch sah das Gericht eine Mithaftung des Anhänger-Fahrers von 25 %. Warum? Im Rahmen der Abwägung sei auf beiden Seiten die jeweilige Betriebsgefahr der am Unfall beteiligten Fahrzeuge bzw. Anhänger zu berücksichtigen, so das Gericht.
Erhöhte Betriebsgefahr aufgrund der Breite des Anhängers
Die Betriebsgefahr des Anhängergespanns sei aufgrund der erheblichen Breite des Anhängers gegenüber der allgemeinen Betriebsgefahr erhöht gewesen.
Die Breite des Anhängers habe dazu geführt, dass der Anhänger-Fahrer zu dem am rechten Fahrbahnrand ordnungsgemäß abgestellten Fahrzeug des Klägers nicht den üblicherweise geforderten Seitenabstand zu parkenden Fahrzeugen von 0,5 bis 1,0 Meter einhalten konnte, da er sonst mit dem Anhänger auf die Gegenfahrbahn geraten wäre. Insofern war der die Betriebsgefahr erhöhende Umstand adäquat kausal für den Verkehrsunfall.
Öffnen der Tür: schuldhafter Verstoß gegen Sorgfaltspflicht
Die 75-prozentige Haftungsquote für den Kläger erklärt sich daraus, dass allein ihm ein schuldhafter Verstoß gegen Sorgfaltspflichten anzulasten ist, neben der mitwirkenden allgemeinen Betriebsgefahr.
Ein vollständiges Zurücktreten der erhöhten Betriebsgefahr des Anhängers des Beklagten sei nicht geboten, befand das OLG, da der Verkehrsverstoß des Klägers nicht nachweislich grob fahrlässig war, sondern auf einem Augenblicksversagen beruhte.
(OLG Celle, Urteil v. 07.06.2017, 14 U 157/16).
Hintergrund:
Der Fahrer eines geparkten Fahrzeugs hat sich nach § 14 Abs. 1 StVO vor dem Öffnen der Fahrertür sorgfältig davon zu überzeugen, dass der vorbeifahrende fließende Verkehr durch das Öffnen nicht gefährdet wird. Diese gesteigerte Sorgfalt bedeutet, dass der Fahrer sich vor dem Öffnen der Fahrertür durch Rückschau hundertprozentig davon vergewissern muss, dass sich kein fahrendes Fahrzeug im Schwenkbereich der Tür nähert.
Haftung nicht nur bei überraschendem Türöffnen
§ 14 Abs. 1 StVO beschränkt sich nicht ausschließlich auf solche Vorgänge, bei denen durch das unvorsichtige Öffnen einer Fahrertür ein Überraschungsmoment für andere Verkehrsteilnehmer eintritt.
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