Selbstständiges Entscheidungsrecht der Versicherung über Schadensausgleich bei Unfallgegner
Die Fahrerin eines VW-Golf wollte aus einer Parklücke ausparken und berührte beim Zurücksetzen die Stoßstange des hinter ihr parkenden Pkw-BMW. Die Golf-Fahrerin stieg darauf aus ihrem Fahrzeug aus und kontrollierte, ob an der vorderen Stoßstange des BMW ein Schaden entstanden war. Da sie nichts erkennen konnte, wollte sie weiterfahren.
Schaden: ja oder nein?
Die neben ihrem Fahrzeug stehende Halterin des BMW erklärte darauf: „Sie sind mir rein gefahren“. Hierauf stieg die Golf-Fahrerin nochmals aus ihrem Pkw aus, kontrollierte die vordere Stoßstange des BMW nochmals genau, konnte aber immer noch keinen Schaden erkennen, worauf sie endgültig weiter fuhr.
Zwei Zeuginnen bestätigen die Schadensverursachung
Die Halterin des BMW erstattete daraufhin Strafanzeige wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort.
- In einem darauf eingeleiteten Strafverfahren erklärten zwei Zeuginnen, die Golf-Fahrerin habe beim Ausparken den BMW sogar mehrfach zu touchiert und hierdurch die vordere Stoßstange des BMW beschädigt.
- Nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakte regulierte die KfZ-Haftpflichtversicherung der Halterin des Golf den Schaden in Höhe von knapp 1.000 EUR.
Teures Unfallverursachungsgutachten
Die Halterin des Golf blieb hartnäckig, sorgte sich um eine Herabstufung ihrer Beitragsklasse bei der Versicherung und ließ ein Unfallverursachungsgutachten anfertigen.
- Der beauftragte Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass eine Verursachung der Schäden an der Front des BMW durch die rückwärtige Stoßstange des Golf aus Sachverständigensicht unmöglich sei.
- Die Schadensbilder am BMW seien mit einer Berührung der Stoßstange des VW Golf nicht kompatibel.
- Die Kosten des Unfallverursachungsgutachtens beliefen sich auf 1.277 EUR.
- Diese Gutachterkosten wollte die Halterin des Golf von ihrer Versicherung erstattet haben.
Regulierungsermessen der Versicherung
Als die Versicherung die Zahlung der Gutachterkosten verweigerte, klagte die Halterin des Golf beim Amtsgericht. Dieses wies die Klage ab.
- Nach der Überzeugung des Amtsrichters war die Versicherung zur Regulierung des Schadens berechtigt.
- Sie habe grundsätzlich ein Regulierungsermessen. Dieses müsse sie zwar auch unter Berücksichtigung des Interesses des Versicherungsnehmers ausüben, jedoch dürfe sie der Entscheidung ihren bis zum Zeitpunkt der Durchführung der Regulierung erlangten Kenntnisstand zugrundelegen
Wirtschaftliche Zweckmäßigkeitserwägungen sind erlaubt
Nach dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Regulierung hatten verschiedene Zeugen die Unfallschilderung der Unfallgegnerin bestätigt.
- Die Versicherung durfte, so das AG, zum Zeitpunkt der Regulierung davon ausgehen, dass ihrer Versicherungsnehmerin der Gegenbeweis nicht gelingen werde.
- Dabei dürfe die Versicherung auch ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigen.
- Im Hinblick auf den geltend gemachten Schaden von unter 1.000 EUR sei die Versicherung nicht verpflichtet gewesen, weitere kostenintensive Ermittlungen anzustellen.
Sie habe dem Aspekt der Regulierungsökonomie den Vorrang geben und die Regulierung vornehmen dürfen.
Versicherungsnehmerin hat sich nicht vertragsgerecht verhalten
Dabei berücksichtige das Gericht auch, dass die Versicherungsnehmerin die Schadensmeldung verzögert und nicht zeitnah bei der Versicherung eingereicht hatte. Dadurch sei der Versicherung die Möglichkeit genommen worden, eine eigene Begutachtung durchzuführen. Die Regulierung des Schadens durch die Versicherung sei insgesamt ermessensfehlerfrei und nicht zu beanstanden.
(AG München, Urteil v. 5.7.2013, 331 C 13903/12).
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