Wann soll Unfallgeschädigter statt Mietwagen besser Taxi fahren?

Wer ohne eigenes Verschulden in einen Verkehrsunfall verwickelt wird und dabei einen Schaden an seinem Fahrzeug erleidet, kann sich im Regelfall für die Zeit der Reparatur einen Mietwagen nehmen. Doch es gibt Ausnahmen wie z.B. den Fall des sogenannten Wenigfahrers.

Der Kläger, ein 76-Jähriger Mann, erlitt einen Verkehrsunfall, an dem ihn keine Schuld traf. Mit der Reparatur seines beschädigten Autos beauftragte er eine Kfz-Werkstatt.

Streit um Kosten für den Mietwagen nach einem Verkehrsunfall

Als Ersatzfahrzeug mietete er einen Kleinwagen, einen Toyota Aygo. Elf Tage nutzte er den Wagen, die Kosten für den Mietwagen beliefen sich auf 1.230 Euro, also 111 Euro pro Tag. Problematisch war nicht nur die lange Zeit in Anbetracht einer überschaubaren Reparatur. Der 76-Jährige legte in den elf Tagen mit seinem Mietwagen auch nur insgesamt 239 Kilometer zurück, umgerechnet nur 16 Kilometer pro Tag, wenn die Strecke vom Wohnsitz zur Werkstatt abgezogen wird.

16 Kilometer Fahrleistung pro Tag zu wenig für einen Mietwagenanspruch?

Die Beklagten – der Unfallverursacher und seine Haftpflichtversicherung – weigerten sich, die Kosten für den Mietwagen zu übernehmen.

Bei der geringen Fahrleistung des 76-Jährigen sei es unnötig gewesen, einen Mietwagen zu nehmen, so ihr Argument.

Das Landgericht schloss sich der Auffassung der Beklagten an.

  • Der Kläger habe für die eigentliche Wiederherstellungsdauer seines Fahrzeugs laut einem Gutachten nur mit 4 bis 5 Tagen rechnen dürfen.
  • Für diese Zeit wäre es für ihn zumutbar gewesen, für anstehende Fahrten ein Taxi zu benutzen,
  • zumal er sein Auto nicht für berufliche Zwecke gebraucht habe.

Nur Nutzungsausfallschaden muss ersetzt werden

Das OLG Hamm hat jüngst die Entscheidung des Landgerichts bestätigt. Für den Geschädigten bedeutet dies:

  • ihm steht nur ein Nutzungsausfallschaden von insgesamt 115 Euro zu
  • 5 Tage zu je 23 Euro
  • anstatt der 1.230 Euro, die der Mietwagen für elf Tage gekostet hatte.

Gericht grenzt Nutzungsausfall ein

Die Begrenzung des Nutzungsausfalls auf fünf Tage begründete das Gericht folgendermaßen: Das Anmieten eines Ersatzwagens sei zur Schadensbehebung nicht erforderlich gewesen, denn das Fahrzeug des Klägers sei nach dem Unfall noch fahrbereit gewesen.

  • Für den Kläger sei sein Auto deshalb nur für die tatsächliche Dauer der Reparatur nicht zur Verfügung gestanden
  • die nach Aussage des Sachverständigen innerhalb von fünf Tagen hätte durchgeführt werden können.

Geschädigter muss Wirtschaftlichkeitsgebot beachten

Der Geschädigte hatte hier bei der Regelung des erlittenen Unfallschadens auf Kosten des Schädigers zu sehr "aus dem Vollen" geschöpft bzw. schöpfen lassen:

  • Er habe die Schadenabwicklung vollständig aus der Hand gegeben und somit selbst gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen
  • Deshalb könne er sich auch nicht auf das vom Schädiger zu tragende Prognoserisiko berufen,
  •  nach welchem ein Schädiger dem Geschädigten die Mehrkosten schuldet,
  •  die ohne eigenes Verschulden des Geschädigten durch die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen entstanden sind

OLG sah Missverhältnis von Mietwagenkosten und Fahrleistung

Das Gericht sah zudem ein Missverhältnis von Mietwagenkosten und Fahrleistung.


Wann soll Unfallgeschädigter statt Mietwagen besser Taxi fahren?

  • Ein tägliches Fahrbedürfnis von weniger als 20 Kilometern sei ein Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht,
  • weil der Geschädigte offensichtlich nicht darauf angewiesen sei, ständig ein Fahrzeug zur Verfügung zu haben.
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Dem Kläger hätte sich hier aufdrängen müssen, so das Gericht, dass Mietwagenkosten von ca. 111 Euro pro Tag die bei seinen Fahrten voraussichtlich anfallenden Taxikosten um ein Mehrfaches übersteigen würden.

Gesamtkosten liegen über 130-Prozent-Grenze

Dazu kommt, dass die vom Kläger geltend gemachten Gesamtkosten von 5.530 Euro (Reparaturkosten 4.300 Euro plus Mietwagenkosten 1.230 Euro) über der 130-Prozent-Grenze liegen, die sich aus dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs ableitet, der mit 3.900 Euro taxiert wurde.

Fazit des Gerichts: Das Anmieten eines Ersatzfahrzeugs ist für den Kläger nicht erforderlich gewesen. Die Folge: Er bleibt auf dem Großteil seiner Mietwagenkosten sitzen.

(OLG Hamm, Urteil v. 23.01.2018, 7 U 46/17).


Hintergrund

Wirtschaftlichkeitsgebot

  • Nach § 249 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger (bzw. dessen Haftpflichtversicherer) als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte.
  • Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (BGH, NJW 2006, 1506; BGH, NJW 2007, 1122; BGH NJW 2008, 1519).

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium