Abmahnung muss wettbewerbsrechtlich motiviert sein

Eine Abmahnung kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Abmahnende nicht in erster Linie wettbewerbsrechtliche Ziele verfolgt, sondern mit der Abmahnung Druck auf den Abgemahnten ausübt, um diesen in einen Vergleich zu zwingen.

Die „Digibet“, eine in Gibraltar ansässige lizenzierte Anbieterin von Sportwetten, befindet sich in einem Dauerclinch mit der Staatlichen Lotterie-Gesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, die mit behördlicher Erlaubnis unter anderem die Lotterien „6 aus 49“, „Spiel 77“, „Glücksspirale“ und „Eurojackpot“ veranstaltet. Der Anwalt von „Digibet“ hat im Hinblick auf einen in einem Rechtstreit der beiden Kontrahenten beim BGH anberaumten Verhandlungstermin mehrere vergebliche Versuche unternommen, eine gütliche Einigung mit der deutschen Lotterie herbeizuführen.

Angriffswelle auf West-Lotto geplant

In einem Schreiben an den „Deutsche Sportwetten Verband e.V.“ bedauerte der Anwalt das Scheitern der bisherigen Verständigungsversuche und ließ verlauten,  Digibet werde zu „wettbewerbsrechtlichen Gegenschlägen“ ansetzen. Man werde Rechtsverstöße im Lottoannahmestellennetz feststellen und dokumentieren; anschließend würden im großen Stil einstweilige Verfügungen gegen West-Lotto und die Wettbürobetreiber beantragt. Daneben greife man die Werbung großflächig an, eine dritte „Welle“ solle dem Minderjährigenschutz gelten, der laxe Umgang der Wettbürobetreiber mit dem Minderjährigenschutz solle auf diese Weise gebrandmarkt werden. Der Brief endet mit dem Hinweis „...das Ganze soll solange betrieben werden, bis eine Verständigung mit West-Lotto erreicht ist“.

Abmahnung für 50 angebliche Wettbewerbsverstöße

Am 3.2.2015 übersandte der Anwalt der West-Lotto eine Abmahnung, in der 50 Wettbewerbsverstöße aufgezählt wurden. Zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wurde eine Frist von einem Tag gesetzt. Die Bitte von Westlotto um Fristverlängerung wurde abgeschlagen. Am 5.2. ging der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen der abgemahnten angeblichen Wettbewerbsverstöße bei Gericht ein. Das LG wies den Antrag zurück mit der Begründung, die Abmahnung sei rechtsmissbräuchlich erfolgt.

Eine Abmahnung darf keine sachfremden Ziele verfolgen

Das zweitinstanzlich mit der Sache befasste OLG stellte in seiner Entscheidung klar, dass nach dem UWG Wettbewerbsverstöße grundsätzlich in großem Umfange und von einer Vielzahl von Mitbewerbern verfolgt werden dürften. Die Fülle der Anspruchsberechtigten berge allerdings für den Anspruchsgegner das Risiko, dass der gleiche Verstoß zum Gegenstand diverser gerichtlichen Verfahren gemacht werde. Hierzu schaffe § 8 Abs. 4 UWG ein Korrektiv dadurch, dass die Geltendmachung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs als rechtsmissbräuchlich qualifiziert wird, wenn sachfremde Ziele als das eigentliche Motiv erschienen.

Sachfremde Ziele führen zur Rechtswidrigkeit der Abmahnung

Im Rahmen der Anwendung dieser Vorschrift haben Gerichte nach Auffassung des Senats allerdings eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der Einzelumstände vorzunehmen. Eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung sei nach dem Gesetz dann anzunehmen,

  • wenn die Geltendmachung von Ansprüchen vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen oder
  • wenn der Anspruchsteller die Absicht verfolgt, den Schuldner durch unnötige Belastung mit Kosten oder Gebühren zu schädigen und ihn dadurch im Wettbewerb zu behindern .

Eine Abmahnung als Retourkutsche ist grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich

Der Senat stellte allerdings auch heraus, dass der Umstand, dass ein wettbewerbsrechtliches Vorgehen sich als Reaktion auf ein entsprechende Verhalten der Gegenseite darstelle (Retourkutsche), noch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründe. Es müssten weitere Umstände hinzutreten. Solle das wettbewerbsrechtliche Vorgehen in erster Linie als Druckmittel im Hinblick auf einen gewünschten Vergleichsabschluss genutzt werden, so werde eine Abmahnung nicht mehr von wettbewerbsrechtlichen Vorschriften gedeckt (OLG Hamm, Urteil v. 8.11.2012,4 U 86/12) .

Die Verhinderung von Wettbewerbsverstößen war nicht das Motiv

Im anhängigen Fall ging der Senat davon aus, dass die Antragsgegnerin durch kostenintensive Angriffswellen in die Knie gezwungen werden sollte. Durch eine Vielzahl wettbewerbsrechtlicher Verfahren hätten die personellen und finanziellen Ressourcen der Antragsgegnerin stark belastet werden sollen, um diese durch den wirtschaftlich hierdurch entstehenden Druck zum Einlenken zu bewegen. In dem entsprechenden Schreiben des Anwalts sei von einer „Kampagne“ die Rede gewesen. Das Ganze hätte solange betrieben werden sollen, bis eine Verständigung erzielt sei. D.h. nach der Interpretation des Gerichts, im Falle eines Nachgebens wären die Wettbewerbsstöße nicht mehr verfolgt worden. Damit sei offenkundig, dass die Ahndung der Wettbewerbsverstöße rechtlich im Hintergrund gestanden habe.

Verfügungsgrund fehlt

Sei hiernach der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits zurückzuweisen, so fehle es darüber hinaus aber auch an einem Verfügungsgrund. Ein Großteil der abgemahnten Wettbewerbsverstöße liege bereits längere Zeit zurück. Es fehle daher an der für eine einstweilige Verfügung erforderlichen Dringlichkeit. Dringlichkeitsschädlich sei es auch, dass die Antragstellerin gegen frühere kerngleiche Verstöße nicht vorgegangen sei. In diesem Zusammenhang müsse sie sich die bereits seit längerem bestehende Kenntnis der  „c. Service GmbH“ zurechnen lassen. Diese hatte im Auftrag der Antragstellerin die Wettbewerbsverstöße ermittelt und dokumentiert und die entsprechende Liste vor Einleitung des Verfügungsverfahrens quasi an die Antragstellerin verkauft. Das frühzeitige Wissen der von der Antragstellerin beauftragten Service GmbH musste die Digibet sich nach Auffassung des OLG zurechnen lassen. Die Digibet scheiterte damit auf der ganzen Linie .

(OLG Köln, Urteil v. 21.8.2015, 6 U 41/15)



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