Doppelter Lizenzschadensersatz ist mit EU-Recht vereinbar
Dies hat der EuGH zu folgendem Sachverhalt entschieden: Die in Polen ansässige und dort zugelassene „SFP“, eine Einrichtung zur gemeinsamen Verwaltung von Urheberrechten für audiovisuelle Werke, hatte die ebenfalls in Polen ansässige „OTK“, die Fernsehsendungen im regionalen Kabelfernsehnetz der polnischen Stadt Olawa ausstrahlt, wegen Verletzung von Urheberrechten verklagt.
Fernsehsendungen unberechtigt ausgestrahlt
Der Rechtstreit landete nach mehreren Urteilen, dagegen eingelegten Rechtsmitteln und Zurückverweisungen dreimal beim polnischen Obersten Gerichtshof, der die Sache zur Frage der Vereinbarkeit nationalen polnischen Rechts mit EU-Recht schließlich dem EuGH vorlegte.
Polnisches Recht sieht hohe Schadenpauschale vor
Im Kern ging es hierbei um die Auslegung von Art. 79 des polnischen Gesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte.
- Nach dieser Vorschrift kann der durch eine Urheberrechtsverletzung Geschädigte als Wiedergutmachung das Doppelte der angemessenen Vergütung verlangen,
- die im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung für die Erteilung der Erlaubnis zur Nutzung des Werkes durch den Rechtsinhaber zu entrichten wäre.
- Einen Nachweis, dass ihm tatsächlich ein Schaden in dieser Höhe entstanden ist, muss der Geschädigte nicht erbringen.
Schutz geistigen Eigentums unabdingbar für Erfolg des Binnenmarkts
Der EuGH bewertete das polnische Gesetz vor dem Hintergrund der Richtlinie 2004/48/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Diese Richtlinie verfolgt nach dem Diktum des EuGH den Zweck, eine wirksame Anwendung des materiellen Rechts auf dem Gebiet des geistigen Eigentums zu gewährleisten, da ohne wirksame Instrumente zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums Innovation und kreatives Schaffen in den Mitgliedstaaten gebremst und Investitionen verhindert würden. Daher seien Instrumente zur Durchsetzung des geistigen Eigentums von zentraler Bedeutung für den Erfolg des Binnenmarktes.
Verpflichtung der Mitgliedsländer zur effektiven Ausgestaltung
Der EuGH hob in diesem Zusammenhang den dritten Erwägungsgrund zur EU-Richtlinie hervor, wonach jeder Mitgliedstaat Maßnahmen zum Schutz des geistigen Eigentums vorzusehen hat, die das Instrumentarium für den Schutz des geistigen Eigentums
- wirksam,
- unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und
- mit abschreckende Wirkung für Rechteverletzer
auszugestalten haben.
EU-Richtlinie gibt lediglich Mindeststandards vor
Dieser dritte Erwägungsgrund zeigt nach Auffassung des EuGH, dass die Richtlinie 2004/48 lediglich einen Mindeststandard für die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums festschreiben will, so dass die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert seien, ihrerseits einen deutlich stärkeren Schutz vorzusehen (EuGH, Urteil v. 9.6.2016, C - 481/14).
Diese Auslegung der EU-Richtlinie steht nach Auffassung des Gerichts auch in Übereinstimmung mit weiteren internationalen Übereinkünften zum Schutz des geistigen Eigentums wie dem TRIPS- Abkommen, der Berner Übereinkunft sowie dem Rom-Abkommen, wonach die Vertragsstaaten den Rechtsinhabern grundsätzlich einen stärkeren Schutz gewähren dürfen als die internationalen Übereinkommen zum Schutz des geistigen Eigentums vorsehen.
Mitgliedstaaten dürfen strengere Standards setzen
Vor diesem Hintergrund gelangte der EuGH zum Ergebnis, dass die EU-Richtlinie 2004/48 einer nationalen Bestimmung, die zur Wiedergutmachung der Urheberrechtsverletzung das Doppelte einer hypothetischen Lizenzgebühr vorsieht, nicht entgegensteht, auch wenn einer solchen Bestimmung ein gewisser Strafcharakter nicht abzusprechen sei. Nach Auffassung der Richter ist auch „Strafschadensersatz“ mit der EU-Richtlinie vereinbar.
Pauschalierte Schadenersatzansprüche sind zulässig
Schließlich hatte der EuGH auch nichts dagegen, dass nach dem polnischen Gesetz der Geschädigte einen Kausalzusammenhang zwischen der das Urheberrecht verletzenden Handlung und dem erlittenen Schaden nicht nachweisen muss. Der Begriff der Kausalität dürfe im Rahmen der pauschalen Festlegung der Höhe eines Schadensersatzes nicht zu eng ausgelegt werden.
Der grundsätzlich zulässigen Festlegung eines pauschalen Schadenersatzes sei immanent, dass die Schadenshöhe nicht in jedem Punkt nachgewiesen werden müsse.
(EuGH, Urteil v. 25.1.2017, C – 367/15)
Konsequenz des für deutsches Recht
Die Entscheidung des EuGH hat auch Bedeutung für die Rechtslage in Deutschland.
- In Deutschland zeigten die Gerichte bisher häufig eine gewisse Unsicherheit mit der Berechnung der Schadenshöhe bei Lizenzverletzungen (OLG Köln, Beschluss v. 5.1.2013, 6 W 12/13).
- In den sogenannten Filesharing-Fällen, also beispielsweise beim unerlaubten Herunterladen von Musiktiteln im Netz, gewährt die hiesige Rechtsprechung inzwischen ebenfalls einen pauschalierten Schadensersatz von 200 Euro pro heruntergeladenen Musiktitel (OLG Frankfurt, Urteil v. 5.7.2014, 11 U 115/13; BGH, Urteile v. 11.6.2015, I ZR 19/14; I ZR 21/14; I ZR 75/14).
Für diese Art der pauschalen Schadensberechnung dürfte nach dem Urteil des EuGH nunmehr feststehen, dass diese mit europäischem Recht vereinbar ist.
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