Wenn unbeschränkt Steuerpflichtige in einem ausländischen Staat Einkünfte erzielen, kann eine Doppelbesteuerung entstehen. Diese kann dadurch vermieden werden, dass die im Ausland gezahlte Steuer auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet wird.
Besteht mit dem ausländischen Staat kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), ist die Anrechnungsmethode die Standardmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (§ 34c Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 EStG). Die ausländische Steuer wird dabei nur bis zur einem Höchstbetrag angerechnet, der nach der Formel des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG berechnet wird. Übersteigt die ausländische Steuer diesen Höchstbetrag, so wird der übersteigende Betrag nicht mehr angerechnet und kann auch anderweitig nicht mehr berücksichtigt werden (sog. Anrechnungsüberhang). Die nicht anrechenbare ausländische Steuer führt somit beim Steuerpflichtigen zu einer effektiven (Mehr-)Belastung.
Besteht mit dem ausländischen Staat ein DBA, so kann dieses ebenfalls die Anrechnung der ausländischen Steuer unter Beachtung des Anrechnungshöchstbetrags vorsehen (vgl. Art. 23B Abs. 1 OECD-MA, Art. 22 Abs. 1 Nr. 3 DE-VG). Regelmäßig wird in den Abkommen für die Durchführung der Anrechnung auf das deutsche Steuerrecht verwiesen. Somit ist auch in DBA-Fällen der Anrechnungshöchstbetrag nach der Formel des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG zu berechnen (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG).
Bisherige Rechtslage
Die bisherige gesetzliche Formel für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags lautete vereinfacht (§ 34c Abs. 1 Satz 2 EStG a. F.):
Anrechnungshöchstbetrag = Tarifliche Einkommensteuer x Ausländische Einkünfte/Summe der Einkünfte
Vereinfachtes Beispiel für einen ledigen Steuerpflichtigen:
Inländische Einkünfte | 45.000 EUR |
Ausländische Einkünfte | 5.000 EUR |
Ausländische Steuer | 1.250 EUR |
Abziehbare Sonderausgaben | 10.000 EUR |
Die festzusetzende Einkommensteuer ergibt sich wie folgt:
Inländische Einkünfte | 45.000 EUR | |
Ausländische Einkünfte | + 5.000 EUR | |
Gesamtbetrag der Einkünfte | = 50.000 EUR | |
Sonderausgaben | ./. 10.000 EUR | |
Zu versteuerndes Einkommen | = 40.000 EUR | |
Tarifliche Einkommensteuer (Grundtarif) | 8.940 EUR | |
Anrechnung der ausländischen Steuer | (1.250 EUR) | |
Anrechnung der ausländischen Steuer | AHB = 8.940 EUR x 5.000 EUR /50.000 EUR | ./. 894 EUR |
Festzusetzende Einkommensteuer | 8.046 EUR |
Der EuGH) hatte in seinem Urteil vom 28.02.2013, C-165/11, "Beker und Beker", entschieden, dass diese Formel gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. Der EuGH begründete dies damit, dass bei der Berechnung die tarifliche Einkommensteuer im Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt werde. Die Summe der Einkünfte berücksichtige jedoch nicht Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen als Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände, was aber bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer geschehe.
Das BMF reagierte auf das EuGH-Urteil mit Schreiben v. 30.9.2013, BStBl I 2013, 1612. Um die Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände zu berücksichtigen, wurde die Formel zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags bis zu einer gesetzlichen Neuregelung wie folgt verändert:
Anrechnungshöchstbetrag = Tarifliche Einkommensteuer x Ausländische Einkünfte/Verminderte Summe der Einkünfte
Summe der Einkünfte | |
./. | Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG |
./. | Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) |
./. | Sonderausgaben (§§ 10, 10a, 10b, 10c EStG) |
./. | außergewöhnliche Belastungen (§§ 33 bis 33b EStG) |
./. | berücksichtigte Freibeträge für Kinder (§§ 31, 32 Abs. 6 EStG) |
= | Verminderte Summe der Einkünfte |
Diese verminderte Summe der Einkünfte entsprach nicht dem zu versteuernden Einkommen, da insbesondere ein Verlustabzug nach § 10d EStG nicht berücksichtigt wurde. Beispiel:
Inländische Einkünfte | 45.000 EUR | |
Ausländische Einkünfte | + 5.000 EUR | |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 50.000 EUR | |
Sonderausgaben | ./. 10.000 EUR | |
Zu versteuerndes Einkommen | = 40.000 EUR | |
Tarifliche Einkommensteuer (Grundtarif) | 8.940 EUR | |
Anrechnung der ausländischen Steuer | (1.250 EUR) | |
Summe der Einkünfte | 50.000 EUR | |
Sonderausgaben | ./. 10.000 EUR | |
Verminderte SdE | 40.000 EUR | |
AHB | 8.940 EUR x 5.000 EUR /40.000 EUR = 1.118 EUR | ./. 1.118 EUR |
Festzusetzende Einkommensteuer | 7.822 EUR |
Der BFH ging in seinem Urteil v. 18.12.2013, I R 71/10, der Folge-Entscheidung zum Urteil des EuGH, hierüber noch hinaus. Nach dem BFH musste für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags bis zu einer gesetzlichen Neuregelung die Summe der Einkünfte zusätzlich noch um den in den Tarif eingearbeiteten Grundfreibetrag vermindert werden:
Summe der Einkünfte | |
./. | Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG |
./. | Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) |
./. | Sonderausgaben (§§ 10, 10a, 10b, 10c EStG) |
./. | außergewöhnliche Belastungen (§§ 33 bis 33b EStG) |
./. | berücksichtigte Freibeträge für Kinder (§§ 31, 32 Abs. 6 EStG) |
./. | Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG) |
= | Verminderte Summe der Einkünfte |
Durch die Berücksichtigung des Grundfreibetrags entsprach diese Regelung ebenfalls nicht dem zu versteuernden Einkommen. Auch hier wurde ein Verlustabzug nach § 10d EStG nicht berücksichtigt. Beispiel:
Inländische Einkünfte | 45.000 EUR | |
Ausländische Einkünfte | + 5.000 EUR | |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 50.000 EUR | |
Sonderausgaben | ./. 10.000 EUR | |
Zu versteuerndes Einkommen | = 40.000 EUR | |
Tarifliche Einkommensteuer (Grundtarif) | 8.940 EUR | |
Anrechnung der ausländischen Steuer | (1.250 EUR) | |
Summe der Einkünfte | 50.000 EUR | |
Sonderausgaben | ./. 10.000 EUR | |
Grundfreibetrag | ./. 8.354 EUR | |
Verminderte SdE | 31.646 EUR | |
AHB | 8.940 EUR x 5.000 EUR /31.646 EUR = 1.413 EUR | ./. 1.250 EUR |
Festzusetzende Einkommensteuer | 7.690 EUR |
Neuregelung
Mit dem Zollkodexanpassungsgesetz vom 22.12.2014 (BGBl I 2014 S. 2417) hat der Gesetzgeber das Verfahren zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags nun neu geregelt. Die neue Formel zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags lautet (§ 34c Abs. 1 Satz 2 EStG n. F.):
Anrechnungshöchstbetrag = Ausländische Einkünfte x Durchschnittlicher Steuersatz
Der Anrechnungshöchstbetrag wird also nicht mehr durch eine Aufteilung der tariflichen Einkommensteuer im Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte ermittelt, sondern durch eine Anwendung des durchschnittlichen Steuersatzes auf die ausländischen Einkünfte. Da der durchschnittliche Steuersatz berechnet wird, indem die tarifliche Einkommensteuer durch das zu versteuernde Einkommen geteilt wird, könnte man auch schreiben:
Anrechnungshöchstbetrag = Ausländische Einkünfte x Tarifliche Einkommensteuer/Zu versteuerndes Einkommen
Das Ergebnis ist also dasselbe, wie wenn in der bisherigen Formel die Summe der Einkünfte durch das zu versteuernde Einkommen ersetzt würde. Da im zu versteuernden Einkommen die Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände berücksichtigt sind, erfüllt diese neue Berechnungsweise die Vorgaben des EuGH. Berücksichtigt ist im Unterschied zu den Formeln des BMF und des BFH auch der Verlustabzug nach § 10d EStG. Nicht unmittelbar berücksichtigt wird aber der Grundfreibetrag. Der Anrechnungshöchstbetrag ist daher niedriger als nach der Formel des BFH. Beispiel:
Inländische Einkünfte | 45.000 EUR | |
Ausländische Einkünfte | + 5.000 EUR | |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 50.000 EUR | |
Sonderausgaben | ./. 10.000 EUR | |
Zu versteuerndes Einkommen | = 40.000 EUR | |
Tarifliche Einkommensteuer (Grundtarif) | 8.940 EUR | |
Anrechnung der ausländischen Steuer | (1.250 EUR) | |
Durchschnittsteuersatz | 8.940 EUR/40.000 EUR = 22,35% | |
AHB | 5.000 EUR x 22,35 % = 1.118 EUR | ./. 1.118 EUR |
Festzusetzende Einkommensteuer | 7.822 EUR |
Die Neuregelung gilt für Veranlagungszeiträume ab 2015. Für Veranlagungszeiträume bis 2014 gilt für alle noch nicht bestandskräftig festgesetzten Fälle die vom BFH aufgestellte Formel für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags (§ 52 Abs. 34a EStG n. F.).