Sonderregelung für die Einfuhr in Sendungen (bis 150 EUR)

Im sechsten Teil unserer Serie zum MwSt-Digitalpaket geht es um eine Sonderregelung, die die Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer bei Sendungen mit einem Sachwert von maximal 150 EUR vereinfachen soll.

Hintergrund

Durch die Neufassung von § 3c UStG wird die bisherige Versandhandelsregelung zum 30.6.2021 abgeschafft und ab 1.7.2021 durch neue sog. Fernverkaufsregelungen ersetzt. Im Zusammenhang damit steht die Ausdehnung des sog. Mini-One-Stop-Shop (MOSS) in den neuen §§ 18i (s. gesonderter Beitrag zur Nicht-EU-Regelung), 18j (s. gesonderter Beitrag zur EU-Regelung), 18k UStG (s. gesonderter Beitrag zum Import-One-Stop-Shop) auf einen sog. One-Stop-Shop (OSS). Außerdem gibt es eine Steuerbefreiung für Einfuhren in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG); greift die EUSt-Befreiung nicht, ist eine Sonderregelung für diese Einfuhren vorgesehen (§ 21a UStG).

Sonderregelung nach § 21a UStG

Die Sonderregelung nach § 21a UStG (auch "Special Arrangement" genannt) dient der Vereinfachung der Erhebung der Einfuhr-Umsatzsteuer (EUSt) bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR aus dem Drittlandsgebiet in Fällen, in denen der One-Stop-Shop (OSS) nach § 18k UStG nicht genutzt wird und die Gegenstände im Mitgliedstaat des Verbrauchs eingeführt werden.

Die Regelung gilt nicht für Sendungen, die verbrauchsteuerpflichtige Waren enthalten. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit der Nutzung der allgemeinen zollrechtlichen Verfahren.

Im Zusammenhang mit § 21a UStG steht die Abschaffung der bisherigen Steuerbefreiung der Einfuhr von Kleinsendungen bis 22 EUR.

Erklärung und Entrichtung der EUSt durch die "gestellende Person"

In den Fällen des § 21a UStG erfolgt (wenn z. B. der Kurierdienstleister, der die Einfuhrware befördert, von der Regelung Gebrauch macht) die Erklärung und Entrichtung der EUSt durch den Carrier/gestellende Person ("Abfertigungs-Sonderregel"). Voraussetzung ist, dass die Einfuhr der Ware und ihre Lieferung im gleichen EU-Mitgliedstaat erfolgt. Die Zollanmeldung erfolgt im Namen und für Rechnung des Warenempfängers (Art. 369y MwStSystRL), d. h. es ist eine Zoll-Vollmacht durch den Warenempfänger erforderlich.

Schuldner der EUSt ist der Warenempfänger (Art. 369z MwStSystRL). Der Einfuhrmitgliedstaat kann vorsehen, dass bei Nutzung der Sonderregelung der Normalsteuersatz für die EUSt zur Anwendung kommt (Art. 369 za MwStSystRL).

Die EUSt kann in monatlich abzugebenden elektronischen MwSt-Erklärungen durch den Carrier/gestellende Person angemeldet werden (Art. 369 zb Abs. 1 MwStSystRL). Der Carrier (gestellende Person) führt die EUSt ab bis zum Fälligkeitstag der Einfuhrabgaben (i. d. R. 16. des Folgemonats).

Gestellung der eingeführten Sendungen

Nach Art. 139 Abs. 1 UZK sind die in das Zollgebiet der Union verbrachten Waren bei ihrer Ankunft bei der bezeichneten Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort oder in der Freizone unverzüglich von der Person zu gestellen:

a) die die Waren in das Zollgebiet der Union verbracht hat,

b) in deren Namen oder in deren Auftrag die Person handelt, die die Waren in dieses Gebiet verbracht hat,

c) die die Verantwortung für die Beförderung der Waren nach dem Verbringen in das Zollgebiet der Union übernommen hat.

Sendungen, die aus dem Drittlandsgebiet (z.B. China oder USA) an Empfänger in Deutschland versendet werden, werden deshalb regelmäßig von Post- und Paketdienstleistern, die mit dem Sendungstransport beauftragt sind, beim Zoll gestellt. Sendungen, für die Zoll oder EUSt entsteht, und für die deshalb eine Zollanmeldung abgegeben werden muss ist, werden bisher zu dem für den Wohnort des Empfängers zuständigen Zollamt gesendet. Der Sendungsempfänger kann dort die Sendung gegen Bezahlung der Einfuhrabgaben abholen. Nach § 21a UStG können insbesondere Post- und Paketdienstleister bzw. Kurierdienstleister künftig die Sendungen im Namen und für Rechnung der Empfänger zum zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlich freien Verkehr anmelden (eine Verpflichtung hierzu besteht nach § 21a UStG für die Dienstleister nicht).

Voraussetzungen der Inanspruchnahme der Sonderregelung

Nach § 21a UStG kann bei der Einfuhr von Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR aus dem Drittlandsgebiet, für die eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG nicht in Anspruch genommen wird, die Person, die die Gegenstände im Inland für Rechnung der Person, für die die Gegenstände bestimmt sind (Sendungsempfänger), bei einer Zollstelle gestellt (gestellende Person, hier also z.B. der Kurierdienstleister), auf Antrag die Sonderregelung nach den § 21a Abs. 2 bis 6 UStG in Anspruch nehmen. Bedingungen dafür sind:

  1. die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Zahlungsaufschubs nach Art. 110 Buchst. b UZK sind erfüllt (die zollrechtliche Bewilligung eines Aufschubkontos nach Art. 110 Buchst. b UZK selbst ist dabei nicht erforderlich),
  2. die Beförderung oder Versendung der Warensendung endet im Inland (d.h. Deutschland muss der Einfuhrstaat sein und der Transport an den Sendungsempfänger muss auch in Deutschland enden),
  3. die Sendung enthält keine verbrauchsteuerpflichtigen Waren (z.B. Tabak, Alkohol).

Entrichtung der EUSt

Liegen diese Bedingungen vor, wird die entstandene EUSt in entsprechender Anwendung von Art. 110 Buchst. b UZK aufgeschoben und dem Aufschubkonto des Dienstleisters belastet (d.h. der Dienstleister (als Zahlungsverpflichteter) muss die EUSt nicht sofort an die Zollverwaltung entrichten). Bei Auslieferung der Sendung muss der Sendungsempfänger (z.B. eine Privatperson, die Ware aus den USA gekauft hat) die Einfuhrumsatzsteuer an den Dienstleister entrichten (§ 21a Abs. 4 Satz 1 UStG). Der Dienstleister hat kein Recht zum Vorsteuerabzug aus der auf seinen Namen aufgeschobenen Einfuhrumsatzsteuer.

Melde- und Aufzeichnungspflichten

Den Dienstleister treffen umfassende Aufzeichnungs- und Meldepflichten. Insbesondere muss er jeweils bis zum 10. Tag des Folgemonats in einer Meldung an die zuständige Zollstelle alle auf diese Art eingeführten Sendungen eines Monats anmelden. Er muss nach § 21a Abs. 5 UStG der zuständigen Zollstelle nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz auf elektronischem Weg und unter Angabe der Registriernummern der jeweiligen Zollanmeldungen mitteilen,

  1. welche Sendungen im abgelaufenen Kalendermonat an die jeweiligen Sendungsempfänger ausgeliefert wurden (ausgelieferte Sendungen),
  2. die je Sendung vereinnahmten Beträge an Einfuhrumsatzsteuer,
  3. den Gesamtbetrag der vereinnahmten Einfuhrumsatzsteuer,
  4. welche Sendungen, die im abgelaufenen Kalendermonat und ggf. davor eingeführt wurden, bis zum Ende des abgelaufenen Kalendermonats nicht ausgeliefert werden konnten und sich noch in der Verfügungsgewalt der gestellenden Person befinden (noch nicht zugestellte Sendungen),
  5. welche Sendungen, bei denen es nicht möglich war, sie dem Sendungsempfänger zu übergeben, im abgelaufenen Kalendermonat wiederausgeführt oder unter zollamtlicher Überwachung zerstört oder anderweitig verwertet wurden (nicht zustellbare Sendungen), sowie
  6. welche Sendungen abhandengekommen sind und die darauf lastende Einfuhrumsatzsteuer.

Finanzielles Risiko des Dienstleisters

Schuldner der EUSt ist wie bisher auch der Empfänger der eingeführten Warensendung. Der Dienstleister ist Zahlungspflichtiger (nach § 21 Abs. 3a UStG ist EUSt, für die ein Zahlungsaufschub gem. Art. 110 Buchst. b oder c UZK bewilligt ist, abweichend von den zollrechtlichen Vorschriften am 26. des zweiten auf den betreffenden Monat folgenden Kalendermonats fällig) und haftet auch für EUSt, die auf Sendungen lastet, welche er zugestellt hat, ohne die EUSt vom Empfänger zu erheben. Dies gilt entsprechend für die EUSt auf Sendungen, deren Verbleib der Dienstleister nicht nachweisen kann (abhandengekommene Sendungen, § 21a Abs. 4 UStG). D.h. es entsteht regelmäßig ein finanzielles Risiko für den Dienstleister, kann er die EUSt von dem Sendungsempfänger nicht einfordern. Über § 21a UStG bedient sich die Zollverwaltung des Dienstleisters somit als Steuereinsammler.

Praxisbeispiel: Warenverkauf aus Norwegen

Der in der Norwegen ansässige Unternehmer NO verkauft am 1.10.2021 einen Pullover im Sachwert von 100 EUR an einen deutschen Kunden K, der am 12.10.2021 in Deutschland eingeführt wird. Nach den Vertragsbestimmungen zwischen NO und K soll K für die Bezahlung der EUSt in Deutschland aufkommen. Die Ware wird von einem Auslieferungslager des NO in Norwegen nach Deutschland versandt. NO beauftragt mit dem Transport einen Paketdienstleister P; an dem Import-One-Stop-Shop nach § 18k UStG nimmt NO nicht teil. P hat sich bereit erklärt, die Sendung in Deutschland im Namen von K zur Einfuhr anzumelden.

Es handelt sich nicht um einen Fernverkauf nach § 3c Abs. 3 UStG, da NO den OSS nach § 18k UStG nicht nutzt. Der Ort der Lieferung des Pullovers an den Privatkunden K liegt nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG in Norwegen (Ort des Beginns der Versendung; § 3 Abs. 8 UStG mit der fiktiven Verlagerung des Lieferorts in das Inland ist nicht einschlägig, weil NO bzw. sein Beauftragter nicht Schuldner der EUSt ist). Die Einfuhr ist steuerpflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG greift nicht).

P kann als gestellende Person die Sonderregelung nach § 21a UStG in Anspruch nehmen. In diesem Fall wird die auf die Einfuhr des Pullovers entstandende EUSt dem Aufschubkonto von P belastet. P muss die EUSt bis zum 26.12.2021 an die Zollverwaltung entrichten. Schulder der EUSt ist K. K muss bei Auslieferung des Pullovers durch P die EUSt an P entrichten (§ 21a Abs. 4 Satz 1 UStG). P muss bis zum 10.11.2021 der Zollverwaltung u.a. mitteilen, dass er im Oktober den Pullover an K ausgeliefert hat und den Betrag der von K vereinnahmten EUSt.