Steuertarif: Gabriel will kalte Progression abmildern

Die sog. kalte Progression wird erneut zum Thema. Von verschiedenen Seiten wird einmal mehr eine Abmilderung dieser schleichenden Steuererhöhung gefordert. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel hält die kalte Progression für ungerecht.

In der großen Koalition mehren sich die Stimmen für ein Vorgehen gegen heimliche Steuererhöhungen zugunsten des Staates. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach sich im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" für eine Abmilderung der kalten Progression aus. Diese bewirkt, dass Lohnsteigerungen durch höhere Steuersätze wieder aufgezehrt werden. "Wir müssen die kalte Progression reduzieren, denn sie ist ungerecht", sagte der Vizekanzler.

Den Abbau der "kalten Progression" haben sich eigentlich alle Parteien seit Jahren auf die Fahnen geschrieben. Wegen hoher Ausfälle für die Staatskassen hatten sich zuletzt aber vor allem SPD-geführte Länder gesträubt und für die Zustimmung eine Kompensation gefordert - etwa eine stärkere Belastung höherer Einkommen. Dies wiederum lehnten die Unionsparteien ab.

Gabriel betonte, die SPD habe schon vor der Bundestagswahl vorgeschlagen, die mittleren Einkommen zu entlasten und stattdessen sehr hohe Einkommen etwas mehr zu belasten. Grundsätzlich benötige der Staat aber weiter ein hohes Steueraufkommen. "Wir müssen Überschüsse erzielen, um den Schuldenberg abzutragen. Wenn das gelingt, könnten wir auch über andere Sachen reden."

Das Problem der "kalten Progression" entsteht, wenn Einkommens- und Lohnerhöhungen nur die Inflation ausgleichen und die Kaufkraft des Arbeitnehmers nicht steigt. Durch den Tarif bei der Einkommensteuer zahlt er dann überproportional mehr Steuern an den Fiskus.

Nach früheren Angaben der Bundesregierung ergeben sich dadurch bis 2017 Steuermehrbelastungen für die Bürger von etwa 17,5 Mrd. EUR. Derzeit fällt die Preissteigerung mit etwas mehr als 1 % eher gering aus. Dies und stärkere Lohnzuwächse mildern das Problem. Aktuell belaufen sich die Inflationsgewinne des Staates gegenüber 2010 laut "Spiegel" auf etwa 9,5 Mrd. EUR.

Gewerkschaften und auch SPD-geführte Länder fordern laut "Spiegel" die Koalition auf, diese Inflationsgewinne an die Steuerzahler zurückzugeben. Der künftige DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sagte, das Problem müsse durch einen gerechteren Verlauf des Einkommensteuertarifs entschärft werden. "Das Thema muss dringend angepackt werden", forderte auch IG-Metall-Chef Detlef Wetzel. Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis, erklärte, die Steuern für die Mittelschicht müssten gesenkt werden.

Möglich ist etwa, den Solidaritätszuschlag, dessen Einnahmen allein dem Bund zustehen, in den Einkommensteuertarif zu integrieren. Dann würde zwar der Spitzensteuersatz steigen, Länder und Kommunen würden aber automatisch an den Einnahmen beteiligt. Die Länder bekämen von den aktuell 14 Mrd. EUR "Soli"-Einnahmen etwa 6 Mrd. EUR und die Kommunen gut 2 Mrd.

dpa