Keine Erhöhung der Pauschbeträge für Sachentnahmen durch das Finanzamt
Hintergrund: Pauschbeträge für Sachentnahmen (Eigenverbrauch)
Für die Sachentnahme von Lebensmitteln und Getränken (Eigenverbrauch) setzt die Finanzverwaltung alljährlich jahresbezogene Pauschbeträge für mehrere Wirtschaftszweige fest, nämlich für Bäckereien, Fleischereien, Gaststätten, Getränkeeinzelhändler, Cafés und Konditoreien, Milcheinzelhändler, Nahrungs- und Genussmitteleinzelhändler, Obst- und Gemüseeinzelhändler (BMF, Schreiben v. 20.1.2022, BStBl 2022 I S. 137 für 2022).
Fall des FG Münster: Einzelkaufmann mit zwei Supermarkt-Filialen
Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2015 bis 2017 als Einzelkaufmann zwei Supermarkt-Filialen in E. Seinen Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 EStG. Das Warensortiment des Klägers umfasste neben Lebensmitteln und Getränken sowie Genussmitteln (etwa Tabakwaren) auch sog. Non-Food-Artikel, insbesondere Wasch- und Putzmittel, Hygiene- und Kosmetikprodukte sowie Schreibwarenartikel.
Der Kläger tätigte in den Streitjahren – mit Ausnahme von Tabakwaren – Entnahmen aus dem gesamten Warensortiment. Gesonderte Aufzeichnungen über seine Warenentnahmen führte er nicht. Vielmehr berücksichtigte er im Rahmen seiner Gewinnermittlungen unter Anwendung des jeweils gültigen BMF-Schreibens betreffend die Pauschbeträge für Sachentnahmen bzw. unentgeltliche Wertabgaben Gewinnerhöhungen im Umfang der dort genannten Pauschbeträge für den Gewerbezweig „Nahrungs- und Genussmittel (Eh.)“.
Nach einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, der Pauschbetrag sei auf den Bereich der Lebensmittel und Getränke beschränkt und beinhalte nicht zusätzlich das komplette Non-Food-Warenangebot eines Vollsortiment-Supermarkts. Das Finanzamt setzte zusätzlich zu den Pauschbeträgen, welche in den für die Streitjahre 2015 bis 2017 jeweils gültigen amtlichen Richtsatzsammlungen für Sachentnahmen bzw. unentgeltliche Wertabgaben betreffend den Gewerbezweig Nahrungs- und Genussmittel (Einzelhandel) vorgesehen sind, weitere Sachentnahmen für Nicht-Lebensmittel, sog. „Non-Food-Artikel“, in Höhe von 140 EUR netto pro Monat zzgl. 19 % Regelumsatzsteuersatz fest, demnach 1.680 EUR zzgl. 319,20 Umsatzsteuer je Kalenderjahr.
Einsprüche waren erfolglos
Das Finanzamt wies die Einsprüche des Steuerpflichtigen als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte es die Auffassung des BP-Finanzamts, die vom BMF veröffentlichten Pauschbeträge für Sachentnahmen bzw. unentgeltliche Wertabgaben würden für sämtliche Gewerbezweige lediglich Nahrungsmittel und Getränke umfassen.
Klage war erfolgreich
Das FG Münster hat der Klage stattgegeben FG ( Urteil v. 29.4.2022, 10 K 1297/20 G,U,F). Hierzu führte das FG im Wesentlichen aus:
- Da der Kläger seinen Aufzeichnungspflichten nicht nachgekommen ist, waren die Sachentnahmen sowie die unentgeltlichen Wertabgaben nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen.
- Die jährlichen Richtsatzsammlungen einschließlich der Pauschbeträge für Sachentnahmen bzw. unentgeltliche Wertabgaben stellen aufgrund der darin enthaltenen Erfahrungswerte lediglich Hilfestellungen für die mangels vorhandener Aufzeichnungen erforderliche Schätzung dar.
- Die Schätzung des Finanzamts ist der Höhe nach rechtswidrig, soweit das Finanzamt weitere Hinzuschätzungen für die Entnahme sog. Non-Food-Artikel vorgenommen hat.
- In Wahrnehmung seiner eigenen Schätzungsbefugnis ist das Gericht der Auffassung, dass die Höhe der Sachentnahmen und unentgeltlichen Wertabgaben allein nach den Pauschbeträgen der jeweils einschlägigen amtlichen Richtsatzsammlungen für den Gewerbezweig Nahrungs- und Genussmittel (Eh.) zu bemessen ist.
- Dass das übliche Warensortiment eines Lebensmitteleinzelhandels zwar überwiegend oder zumindest in bedeutendem Ausmaß aus Lebensmitteln und Getränken besteht, das Sortiment darüber hinaus aber in aller Regel auch Non-Food-Artikel, wie insbesondere Haushaltswaren, umfasst, entnimmt das FG der allgemeinen Lebenserfahrung.
Praxis-Tipp: Einspruch einlegen
Das FG hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Die Frage, ob für die Entnahme sog. Non-Food-Artikel weitere über die Pauschbeträge nach den amtlichen Richtsatzsammlungen hinausgehende Hinzuschätzungen erforderlich und zulässig sind, sei – soweit ersichtlich – bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Das Finanzamt hat die zugelassene Revision eingelegt (Az. des BFH: III R 28/22). Es liegt auf der Hand, dass vergleichbare Fälle offengehalten werden sollten.
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