Abfindung an den weichenden Erbprätendenten ist Nachlassverbindlichkeit
Hintergrund
Die Erblasserin E hatte in einem Testament aus 2007 die Eheleute X als Erben zu gleichen Teilen eingesetzt. Im April 2010 verfasste sie eine Urkunde, die ihren Finanzberater F als Alleinerben ausweist. Nach dem Tod der E im Juli 2010 beantragten sowohl F als auch die Eheleute die Erteilung eines Erbscheins zu ihren Gunsten. Der anschließend zwischen den Eheleuten und F vor dem Nachlassgericht geführte Streit um die Erbenstellung endete mit einem Vergleich. F nahm seinen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zurück und verpflichtete sich, keine Einwendungen gegen die Erbenstellung der Eheleute zu erheben. Die Eheleute verpflichteten sich dafür, an F 160.000 EUR zu bezahlen. Den Eheleuten wurde darauf ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt, der sie als Miterben zu gleichen Anteilen ausweist.
Bei der Festsetzung der ErbSt gegen die Ehefrau X berücksichtigte das FA die anteilige Abfindungszahlung an F (80.000 EUR) nicht als Nachlassverbindlichkeit. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage mit der Begründung statt, die Abfindung sei ausschließlich zur Erlangung des Erwerbs geleistet worden.
Entscheidung
Der BFH teilt die Auffassung des FG und wies die Revision des FA zurück. Als Nachlassverbindlichkeiten sind u.a. die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung, Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG). Ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Erwerb liegt vor, wenn die Kosten dafür aufgewandt werden, dass der Erwerber seine Rechtsstellung erlangt. Der Begriff der Erwerbskosten ist grundsätzlich weit auszulegen. Ein Entstehen nach dem Erbfall genügt, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erlangung oder Sicherung der Erbenstellung vorliegt. Zu den abziehbaren Kosten gehören daher auch Abfindungszahlungen des Erben an den weichenden Erbprätendenten, die der Erbe entrichtet, damit seine Erbenstellung in einem anhängigen Verfahren nicht mehr bestritten wird. Denn bei widersprechenden Erbeinsetzungen zugunsten verschiedener Personen muss geklärt werden, welche Person Erbe und damit Gesamtrechtsnachfolger wird.
Der BFH setzt sich damit nicht in Widerspruch zu seiner Rechtsprechung, nach der die Abfindung beim Zahlungsempfänger (weichender Erbprätendent, hier F) keinen der ErbSt unterliegenden Erwerb darstellt. Denn die als Erwerb von Todes wegen erfassten Vorgänge sind in § 3 ErbStG abschließend geregelt. Eine analoge Anwendung auf eine Abfindungszahlung für den Verzicht auf die Geltendmachung erbrechtlicher Ansprüche scheidet daher aus (BFH, Urteil v. 4.5.2011, II R 34/09, BStBl II 2011 II S. 725). Es besteht auch kein Korrespondenzprinzip dahingehend, dass eine Zahlung des Erben, die beim Empfänger nicht dem ErbStG unterliegt, schon deswegen beim Zahlenden die Bemessungsgrundlage nicht schmälern darf (BFH, Urteil v. 16.5.2013, II R 21/11, BStBl 2013 II S. 922).
Hinweis
Dem Abzug einer Abfindungszahlung an den weichenden Erbprätendenten als Erwerbskosten und damit als Nachlassverbindlichkeit steht nicht entgegen, dass der Erwerb bereits durch Erbanfall kraft Gesetzes eintritt. Denn die Abfindung dient dem Zahlenden unmittelbar dazu, die Erbenstellung und damit den Erwerb endgültig zu erlangen. Der BFH schließt sich der ganz überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung an.
BFH, Urteil v. 15.6.2016, II R 24/15, veröffentlicht am 7.9.2016
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