Abgrenzung zwischen Vorerbschaft und Nießbrauchsvermächtnis

Bei einer unklaren letztwilligen Verfügung ist im Wege der Auslegung zu klären, ob der Begünstigte als Vorerbe oder als Nießbrauchsvermächtnisnehmer eingesetzt wurde.

Der Verstorbene hatte seine Lebensgefährtin L als Vorerbin in seinem Testament bedacht und einen Testamentsvollstrecker eingesetzt. Dieser war angewiesen, ihr aus den ihr zustehenden Reinerträgen des Nachlasses Geld- und Sachleistungen zukommen zu lassen. Die L sah sich deshalb als Vermächtnisnehmerin eines Nießbrauchs an. Das Finanzamt räumte zwar ein, dass L bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Nießbraucher nahe komme. Maßgebend sei aber das Zivilrecht und deshalb sei die L als Vorerbin zu besteuern.

Vorerbe oder Nießbrauchsvermächtnis? 

Das Finanzgericht wertet die Klage als unbegründet. Entscheidend war die vorgenommene Auslegung der letztwilligen Verfügung des Verstorbenen. Diese ist maßgebend für die Frage, ob die Begünstigte als Vorerbin oder als Nießbrauchsvermächtnisnehmerin eingesetzt worden ist.

Das Finanzgericht kam dabei zum Ergebnis, dass die Klägerin zu Recht als Vorerbin i.S.d. § 2100 BGB anzusehen ist. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut des notariell beurkundeten Testaments, in welchem die L ausdrücklich als Vorerbin bezeichnet und auch auf die Regelungen in §§ 2113 ff. BGB Bezug genommen wird. Zudem wurde darin die Nacherbfolge geregelt. Damit war der Wille des Erblassers klar und eindeutig feststellbar.

Da dem Erbschaftsteuerrecht zudem eine wirtschaftliche Betrachtungsweise fremd ist, hat das Finanzamt die Klägerin zutreffend als Vorerbin besteuert. Ein Vorerbe gilt nach § 6 Abs. 1 ErbStG als (Voll-)Erbe. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Besteuerung des Erwerbs des Vorerben bestehen nicht (BFH, Beschluss v. 06.11.2006, II B 37/06, BFH/NV 2007 S. 242).

Revision anhängig 

Die vom Finanzgericht zugelassene Revision ist mittlerweile beim Bundesfinanzhof eingegangen (Az beim BFH II R 39/17). Dieses Verfahren wird jedoch wenig Aussicht auf Erfolg haben. Wichtiger ist es vielmehr, testamentarische Regelungen auch in steuerrechtlicher Hinsicht zu bedenken und diese dann in eindeutiger Weise abzufassen.

FG Köln, Urteil v. 29.6.2017, 7 K 2587/15, Haufe Index 11344418


Schlagworte zum Thema:  Testament, Vorweggenommene Erbfolge