Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist bei Grundlagenbescheiden

Auch die Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden bewirken eine Ablaufhemmung nur, wenn sie vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die betroffene Steuer erlassen worden sind.

Hintergrund

Die Entscheidung betrifft das Verhältnis von Grundlagenbescheid (z.B. Feststellungsbescheid) und Folgebescheid (z.B. ESt-Bescheid). Ein Folgebescheid ist zu erlassen (aufzuheben oder zu ändern), soweit ein Grundlagenbescheid, dem Bindungswirkung für diesen Bescheid zukommt, erlassen (aufgehoben oder geändert) wird (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Der AO liegt das Regelsystem zugrunde, wonach Grundlagenbescheide (soweit eine von der Festsetzungsfrist des Folgebescheids abweichende Regelung zur Feststellungsfrist für den Grundlagenbescheid fehlt) nur zu berücksichtigen sind, wenn sie innerhalb der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid erlassen worden sind (§ 181 Abs. 5 AO). Der Ablauf der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid ist dann gehemmt (früher 1 Jahr, jetzt 2 Jahre; § 171 Abs. 10 AO).

Hier war bisher streitig, ob dies auch für Verwaltungsakte von Behörden außerhalb der Finanzverwaltung gilt. Mit der nunmehr ergangenen Grundlagenentscheidung wird dies vom BFH bejaht. Auch ressortfremde Grundlagenbescheide müssen vor Ablauf der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid erlassen worden sein.

X betrieb von 1972 bis 1992 eine Ballettschule. Ihre Umsätze unterwarf sie dem Regelsteuersatz. Bescheinigungen der Landesbehörde über die Voraussetzungen der Steuerbefreiungen (für Theater, Berufsvorbereitung usw.) lagen nicht vor. Die USt-Bescheide wurden bestandskräftig.

Erst 2004 bzw. 2008 legte X entsprechende Bescheinigungen vor und beantragte, die die Umsätze rückwirkend steuerfrei zu belassen.

Das FG gab der Klage statt. Es argumentierte, die Bescheinigungen seien Grundlagenbescheide, die ohne zeitliche Begrenzung auch rückwirkend erteilt und berücksichtigt werden könnten.

Entscheidung

Der BFH widerspricht dem FG.

Bei Grundlagenbescheiden ressortfremder Behörden ist die Regelung (§ 171 Abs. 10 AO) lückenhaft und aufgrund einer teleologischen Reduktion einschränkend dahin auszulegen, dass die Ablaufhemmung voraussetzt, dass der Grundlagenbescheid noch vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist für die Steuer, für die der Grundlagenbescheid bindend ist, bekanntgegeben wird.

Im Streitfall wurden die Bescheinigungen (Grundlagenbescheide) erst Jahre nach Ablauf der Festsetzungsfrist für die USt-Bescheide 1972 - 1992 erteilt. Sie konnten daher nicht zur Änderung der USt-Festsetzungen führen.

Hinweis

Entgegen der Auffassung des FG besteht somit keine zeitlich unbegrenzte Änderungsmöglichkeit für ressortfremde Grundlagenbescheide.

Übrigens wurde ab 2011 die Befreiungsregelung für Theater usw. durch Verweis auf die AO ausdrücklich dahingehend ergänzt, dass die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid noch nicht abgelaufen sein darf (§ 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 v. 8.12.2010).

BFH, Urteil v. 21.2.1013, V R 27/11, veröffentlicht am 22.5.2013


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