Abrechnung von Krankentransport und Notfallrettung als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb
Der Kläger ist ein anerkannter Verband der freien Wohlfahrtspflege und Mitglied eines Wohlfahrtsverbandes. Er ist als gemeinnützig und mildtätig anerkannt und unterliegt mit seinen Einkünften grundsätzlich nicht der Besteuerung. Aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen ihm und dem Landkreis ist er auch als Leistungserbringer im öffentlichen Rettungsdienst tätig. Weil die Sozialleistungsträger im Jahr 2012 verlangten, dass aus Kostengründen in jedem Landkreis nur eine Abrechnungsstelle vorgehalten wird, führte der Kläger – neben der Abrechnung der eigenen Einsätze – auch die Abrechnungen der Einsätze für vier andere Leistungserbringer in den Bereichen Rettungsdienst und Krankentransport gegenüber den Kostenträgern durch.
Nach Ansicht des Finanzamts stellt der Betrieb der Abrechnungsstelle – mit Ausnahme der Abrechnung eigener Rettungsdienstleistungen – eine gesondert zu beurteilende, selbständige wirtschaftliche Tätigkeit dar, die die Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erfüllt und kein Zweckbetrieb ist. Eine Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 18 UStG oder Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL für die Leistungen der Abrechnungsstelle für die anderen Leistungserbringer käme nicht in Betracht.
Steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts hat das Finanzamt die im Streitjahr vom Kläger aus den Abrechnungsleistungen erzielten Einkünfte bzw. Umsätze zurecht dem Bereich seiner steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe zugeordnet und die "Abrechnungsstelle für fremde Leistungserbringer" nicht als Zweckbetrieb im Sinne der §§ 65, 66 AO gewertet.
Mit der Durchführung der Abrechnungsleistungen wurde der Kläger selbstständig, d.h. abgrenzbar von seinen übrigen Tätigkeiten tätig. Ein Zusammenhang mit anderen (begünstigten) Betätigungen des Klägers dergestalt, dass die Durchführung der Abrechnungsleistungen für Dritte ohne die sonstigen Aktivitäten des Klägers nicht möglich gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Die "2Abrechnungsstelle" stellt keinen Zweckbetrieb dar, denn die Abrechnungsleistungen erfolgen nicht unmittelbar zu Gunsten der Notfallpatienten. Vielmehr werden sie für den Landkreis bzw. für dritte Leistungserbringer erbracht.
Die Abrechnungsleistungen gegenüber dritten Leistungserbringern sind auch nicht umsatzsteuerfrei. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG scheidet aus, weil diese nur die Beförderungen von kranken und verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind, umfasst. Danach ist nur die Abrechnung der eigenen Rettungsdienstleistungen als unselbstständige Nebenleistung umsatzsteuerfrei. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 UStG sind ebenfalls nicht erfüllt. Insbesondere kommen die Abrechnungsleistungen an andere Leistungserbringer nicht im Sinne des § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. b UStG unmittelbar dem begünstigten Personenkreis – hier den Notfallpatienten – zugute. Eine Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL ist ebenfalls ausgeschlossen, da der Kläger bereits kein "selbstständiger Zusammenschluss" in diesem Sinne ist.
Umsatzsteuerliche Behandlung
Der Kläger hat als anerkannter Verband der freien Wohlfahrtspflege diverse wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sowie Zweckbetriebe unterhalten. Für jede dieser "Tätigkeiten" ist die umsatzsteuerliche Behandlung gesondert zu prüfen. Wird eine Tätigkeit als Zweckbetrieb eingestuft, kommt jedenfalls der Mehrwertsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG in Betracht. Unabhängig davon ist zu prüfen, ob eine Steuerbefreiung greift.
Hierbei kommt es insbesondere auf das Merkmal der Unmittelbarkeit im Sinne des § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG an. Danach sind die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, steuerfrei, wenn die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassungen begünstigten Personenkreis zugutekommen.
Nach der Rechtsprechung ist das Merkmal der Unmittelbarkeit leistungsbezogen, d.h. die Leistung selbst muss demnach dem in der Satzung bezeichneten begünstigten Personenkreis unmittelbar und nicht nur mittelbar zugutekommen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, da die Abrechnungsleistungen nicht den Kranken bzw. den Unfallopfern unmittelbar zugutekommen. So liegt nach dem Urteil des BFH (Urteil vom 29.01.2009 - V R 46/00) keine steuerfreie Leistung vor, wenn ein Unternehmer Verwaltungsleistungen für Mitgliedsvereine ausführt.
Hinweis: Verfügung der OFD Frankfurt am Main
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die OFD Frankfurt am Main ganz grundsätzlich zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Rettungsdienstleistungen (insbesondere zum Rettungssystem in Hessen) Stellung genommen hat und auch zahlreiche Einzelleistungen gesondert einordnet (vgl. OFD Frankfurt am Main, Verfügung v. 25.7.2011, S 7174 A -1 - St 112).
Der BFH muss nun entscheiden, ob die von einem Verein durchgeführten Abrechnungen von Krankentransporten und Notfallrettungen gegenüber Sozialleistungsträgern für fremde Leistungserbringung der Umsatzbesteuerung unterliegen oder ob die Abrechnungsleistungen zumindest als Zweckbetrieb anzuerkennen sind (Az. beim BFH XI R 42/19).
FG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 28.08.2019 - 3 K 114/15
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