Anteilswert einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft
Hintergrund: Bewertung eines GmbH-Anteils für die ErbSt
A ist die Erbin des Erblassers (E), der am 1.1.2011 verstarb. E war mit einem Anteil von 17% Gesellschafter einer GmbH. Weiterer Gesellschafter und Geschäftsführer war u.a. B.
Das FA stellte für ErbSt-Zwecke den Wert der GmbH auf den 01.01.2011 im vereinfachten Ertragswertverfahren mit 81 Mio. EUR und den Wert des Anteils des E mit 14 Mio. EUR fest.
A wandte ein, das vereinfachte Ertragswertverfahren führe zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis. Wegen der Befristung eines wichtigen Mandats (bis 2013) habe mit einer Verschlechterung der Ertragslage gerechnet werden müssen und der unerwartete Tod des Geschäftsführers B (in 2015) habe die GmbH an den Rand des Abgrunds gebracht. Nach der gutachterlichen Stellungnahme eines Wirtschaftsprüfers sei der Wert des Anteils des E am Todestag mit 6,4 Mio. EUR (15 % von 43 Mio. EUR) zu beziffern.
Die Klage hatte im Streitpunkt keinen Erfolg. Das FG war mit dem FA der Ansicht, das vereinfachte Ertragswertverfahren sei anwendbar und führe nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen. Die von A vorgelegte gutachterliche Stellungnahme sei nicht verwertbar. Sie verstoße wegen der Berücksichtigung zukünftiger Ereignisse (Auslaufen des Großmandats – 2013 – und Ausscheiden des B – 2015) gegen das Stichtagsprinzip.
Entscheidung: Sachaufklärung zur Ermittlung des gemeinen Werts
Der BFH verwies den Fall an das FG zurück. Das FG ist zu Unrecht von einem Vorrang des vereinfachten Ertragswertverfahrens (§§ 199 ff. BewG) ausgegangen. Es hat seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung dadurch verletzt, dass es die in Form der gutachterlichen Stellungnahme eingereichte Wertermittlung des A weder beachtet noch unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ergänzt und angepasst hat.
Wahl der Bewertungsmethode
Ist – wie hier für die GmbH – der gemeine Wert von nicht notierten Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu ermitteln, kann anstelle eines individuellen Ertragswertverfahrens (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG) auch das vereinfachte Ertragswertverfahren nach §§ 200 ff. BewG angewendet werden, wenn dieses nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt (§ 11 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 199 Abs. 1 BewG. Hierbei ist wichtig, dass damit allein dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zur Anwendung des vereinfachten Verfahrens gewährt wird (so auch R B 199.1 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2019). Entscheidet er sich – wie hier A – durch Vorlage eines Gutachtens gegen das vereinfachte Ertragswertverfahren, können die §§ 199 ff. BewG auch nicht nach Art eines Auffangtatbestandes der Bewertung zugrunde gelegt werden. Das gilt auch dann, wenn der Unternehmenswert nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG in dem Gutachten bislang unzureichend ermittelt worden ist.
Kein Vorrang des vereinfachten Ertragswertverfahrens
Ein Vorrang bzw. eine (widerlegbare) Vermutung der Richtigkeit für einen mittels des vereinfachten Ertragswertverfahrens nach §§ 200 ff. BewG ermittelten Wert besteht nicht. Denn die in diesem Verfahren vorgesehenen Typisierungen können zu Abweichungen vom gemeinen Wert führen (R B 199.1 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2019). Das Wahlrecht des Steuerpflichtigen ist daher gerechtfertigt. Hat er sich gegen das vereinfachte Ertragswertverfahren entschieden und legt er stattdessen ein Gutachten nach den Grundsätzen des § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG vor, können daher weder das FA noch das FG ohne Weiteres dem vereinfachten Ertragswertverfahren den Vorrang einräumen. Nur wenn das vereinfachte Ertragswertverfahren zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt, soll sich der Anteilsinhaber nicht auf dieses Verfahren berufen können und die Finanzverwaltung die Möglichkeit haben, das Verfahrens abzulehnen.
Amtliche Ermittlungspflicht
Besteht Streit über die Methodik eines Gutachtens oder über den Ansatz einzelner Berechnungsparameter, muss das FG den Sachverhalt aufklären (BFH v. 12.6.2019, X R 38/17, BStBl II 2019, 518, Rz 67). Entspricht das Gutachten nicht in jeder Hinsicht, sondern nur in einzelnen Aspekten nicht den Anforderungen, darf es das FG nicht ohne Weiteres insgesamt unberücksichtigt lassen und zum vereinfachten Ertragswertverfahren wechseln (BFH v. 5.5.2010, II R 25/09, Rz 18). Etwaige Lücken im Gutachten können vom FG selbst geschlossen oder müssen vom Steuerpflichtigen nachgebessert werden. Ist das Gutachten allerdings nach der Meinung des FG (insgesamt) ungenügend, kann das FG eine neue Begutachtung anordnen (BFH v. 21.6.2010, VII B 247/09, BFH/NV 2010, 2113, Rz 7).
Zurückverweisung an das FG
Hiervon ausgehend musste der BFH den Fall an das FG zurückverweisen. A hatte den Unternehmenswert nach dem Ertragswertverfahrens entsprechend den "Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen" des Instituts der Wirtschaftsprüfer Standard 1 (IDW S 1) durch Abzinsung der künftigen finanziellen Überschüsse ermittelt. Das FG hat dieses Gutachten nicht vollständig, sondern nur in einzelnen Punkten beanstandet. Damit hätte das FG das Gutachten nicht insgesamt verwerfen dürfen. Es hätte A die Möglichkeit zur Ergänzung geben oder selbst ein neues Gutachten in Auftrag geben müssen.
Hinweis: Keine Darlegung zu anderen Bewertungsmethoden
Der BFH bemerkt, dass derjenige, der eine Wertermittlung nach den Ertragsaussichten (z.B. nach IDW S 1) vornimmt, nicht gesondert darlegen muss, dass die von ihm gewählte Methode gegenüber anderen anerkannten Methoden oder dem vereinfachten Ertragswertverfahren vorzugswürdig ist. Denn üblicherweise wird zumindest bei Beteiligungen an großen Gesellschaften die Ertragswertmethode angewandt. Anders soll es sein, wenn der Steuerpflichtige umgekehrt den Anteilswert mittels einer anderen anerkannten Methode (z.B. vergleichsorientierte Methoden und Multiplikatorenmethoden) ermitteln will (Verweis auf BR-Drs. 4/08, S. 62).
BFH Urteil vom 02.12.2020 - II R 5/19 (veröffentlicht am 15.07.2021)
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