Anzeigepflicht des Notars nach dem Grunderwerbsteuergesetz
Hintergrund
Die Entscheidung betrifft den Erwerb und den Rückerwerb der Anteile an einer grundstücksbesitzenden GmbH. Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass der Rückerwerb grundsätzlich steuerpflichtig ist, da der Notar den ursprünglichen Erwerb nicht ordnungsgemäß angezeigt hatte. Ob sich für den Rückerwerb die Festsetzungsfrist verlängert hat, hängt davon ab, ob dem Notar und/oder dem Erwerber leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen ist, da auch hier die Anzeige nicht ordnungsgemäß war. Der BFH verneint dies für den Notar. Hinsichtlich des Erwerbers sind weitere Feststellungen zu treffen.
Der Alleingesellschafter G übertrug Geschäftsanteile an P. Den noch verbliebenen Geschäftsanteil verkaufte er durch Notarvertrag v. 25.4.2001 ebenfalls an P. Der Notar übersandte die Verträge über die Veräußerungen unter Bezugnahme auf seine Anzeigepflicht an die Kö-Stelle des FA.
Mit Vertrag v. 30.1.2002 erwarb G von P sämtliche Anteile zurück. Der Notar übersandte diesen Vertrag ebenfalls an die Kö-Stelle (eingegangen 5.2.2002). Die Kö-Stelle fertigte darauf eine Kontrollmitteilung an die GrESt-Stelle und fügte ihr den Vertrag bei. Ob diese Mitteilung bei der GrESt-Stelle eingegangen ist, konnte nicht festgestellt werden. Als die GrESt-Stelle in 2009 von dem Rückerwerb erfuhr, setzte das FA mit Bescheid v. 30.9.2009 (der später wegen fehlender Bestimmtheit wieder aufgehoben wurde) GrESt fest. Aufgrund geänderter Mitteilungen über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte (Bedarfsfeststellungsbescheide aus 2009 und 2010) setzte das FA sodann mit Bescheid v. 22.2.2010 und Änderungsbescheid v. 20.4.2010 erneut GrESt fest.
Dagegen wandte sich G und machte Festsetzungsverjährung geltend. Das FG gab seiner Klage statt. Die vierjährige Festsetzungsfrist habe mit Ablauf des 31.12.2005 begonnen, da der Rückerwerb dem FA weder von G noch vom Notar ordnungsgemäß angezeigt worden sei. Somit habe die Frist am 31.12.2009 geendet und sei beim Erlass der Bescheide vom 22.2.2010 bzw. 20.4.2010 bereits abgelaufen gewesen. Die Frist habe sich nicht wegen leichtfertiger Steuerverkürzung auf 5 Jahre verlängert. Denn die Steuerfestsetzung sei nicht aufgrund eines Fehlverhaltens des Notars und des G unterblieben, sondern weil die Kontrollmitteilung amtsintern verloren gegangen sei. Es fehle somit der Ursachenzusammenhang zwischen dem Fehlverhalten und der Steuerverkürzung.
Entscheidung
Der Rückerwerb durch G mit Vertrag v. 30.1.2002 unterlag der GrESt. Zwar wird bei einem Rückerwerb innerhalb von 2 Jahren die Steuerfestsetzung für den Erwerb und den Rückerwerb aufgehoben. Das setzt aber voraus, dass der ursprüngliche Erwerb (Verkauf des Restanteils durch G an P) ordnungsgemäß angezeigt wurde (§ 16 Abs. 5 GrESt). Das war hier nicht der Fall. Denn die Anzeige muss grundsätzlich an die GrESt-Stelle des FA übermittelt werden. Eine nicht ausdrücklich an die GrESt-Stelle gerichtete Anzeige genügt nur dann, wenn sie sich nach ihrem Inhalt eindeutig an die GrESt-Stelle richtet. Dazu ist erforderlich, dass die Anzeige als eine nach dem GrESt gekennzeichnet ist und nach ihrem Inhalt ohne weitere Sachprüfung an die GrESt-Stelle weiterzuleiten ist. Diesen Anforderungen genügt die Anzeige des Notars nicht. Denn sie war ausdrücklich an die Kö-Stelle gerichtet und ihrem Inhalt nach nicht eindeutig der GrESt-Stelle zuzuordnen.
Der BFH konnte nicht abschließend entscheiden, ob die sonach gegebene GrESt-Pflicht des Rückerwerbs wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr verwirklicht werden kann. Die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist begann mit Ablauf 2005, da G den auf die Vereinigung (Rückerwerb) sämtlicher Anteile gerichteten Vertrag v. 30.1.2002 dem FA nicht angezeigt hatte. Die Anzeige des G wurde auch für den Rückerwerb nicht durch die - nicht ordnungsgemäße - Anzeige des Notars ersetzt. Bei einer fehlenden Anzeige beginnt die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des dritten Jahrs nach der Entstehung der Steuer (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die vierjährige Frist endete somit regulär zum Jahresende 2009.
Allerdings ist zu beachten, dass in 2009, somit vor Ablauf der regulären vierjährigen Frist, Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundstückswerte ergangen waren. Diese Bescheide (Grundlagenbescheide) haben zu einer Ablaufhemmung von 2 Jahren geführt mit der Folge, dass insoweit durch die angefochtenen Bescheide aus 2010 die GrESt noch festgesetzt werden konnte, ohne dass es auf eine Fristverlängerung wegen leichtfertiger Steuerverkürzung ankommt.
Soweit die Feststellungsbescheide diese Voraussetzungen nicht erfüllen (Grundlagenbescheide aus 2010), hängt die Entscheidung davon ab, ob sich die Festsetzungsfrist wegen leichtfertiger Steuerverkürzung auf 5 Jahre (also bis 2010) verlängert hat. Entgegen der Auffassung des FG ist entscheidend dafür lediglich der tatsächlich verwirklichte Geschehensablauf, ob der Erwerber die vorgeschriebene Anzeige erstattet hat. Nicht maßgeblich ist, ob und aus welchen Gründen eine Kontrollmitteilung nicht an die GrESt-Stelle gelangt ist.
Zur Verletzung der Anzeigepflichten stellt der BFH klar, dass Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung nur der Schuldner sein kann, aber nicht der Notar. Dieser ist weder Steuerpflichtiger noch nimmt er im Hinblick auf die Anzeigepflicht Angelegenheiten des Steuerpflichtigen wahr. Eine entsprechende Wahrnehmung setzt eine rechtsgeschäftliche Beauftragung durch den Steuerschuldner voraus. Die nicht ordnungsgemäße Anzeige des Notars führte daher nicht zu einer Fristverlängerung.
Allerdings könnte auf Seiten des G als Steuerschuldner wegen Nichtabgabe der ihm obliegenden Anzeige eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegen. Das ist im Wesentlichen Tatfrage. Die dazu erforderlichen Feststellungen hat das FG nachzuholen. Der BFH verwies die Sache daher an das FG zurück.
Hinweis
Das FG geht davon aus, selbst bei einem fahrlässigen Handeln des Anzeigeverpflichteten sei das Fehlverhalten unerheblich, wenn die Kö-Stelle die Anzeige nicht weitergeleitet hat. Es fehle dann am Ursachenzusammenhang. Dem widerspricht der BFH. Entscheidend ist allein der tatsächliche Ablauf, d.h. ob die GrESt-Stelle bei pflichtgemäßem Verhalten die Steuer alsbald hätte festsetzen können. Das ist nur bei einer Anzeige der Fall, die so adressiert und abgefasst ist, dass mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, sie werde innerhalb der Organisation des FA die GrESt-Stelle erreichen.
Die Entscheidung stellt klar, dass ein Unterschied zwischen der Anzeigepflicht des Notars (§ 18 GrEStG) und der des Steuerschuldners (§ 19 GrEStG) besteht. Der Notar handelt bei der Anzeige nicht als Steuerpflichtiger und (ohne besondere Beauftragung) auch nicht in Erfüllung der Anzeigepflicht des Steuerschuldners oder in Wahrnehmung von dessen Angelegenheiten, sondern in Erfüllung einer eigenen, dem FA gegenüber bestehenden Pflicht. Er scheidet insoweit als Täter einer leichtfertigen Steuerhinterziehung (§ 378 AO) aus. Eine Verletzung seiner Anzeigepflicht führt demgemäß auch nicht zu einer Anlaufhemmung. Anders ist es nur, wenn der Notar sich zur Übernahme der Anzeigepflicht des Steuerschuldners ausdrücklich verpflichtet hat. Die Feststellungslast (objektive Beweislast) für das Vorliegen einer leichtfertigen Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung trägt das FA, das sich darauf beruft. Im Streitfall dürfe fraglich sein, ob G Kenntnis von seiner Anzeigepflicht hatte bzw. ob er davon ausgehen konnte, der Notar werde das Erforderliche erledigen.
BFH, Urteil v. 3.3.2015, II R 30/13, veröffentlicht am 10.6.2015
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