Arbeitnehmertätigkeit für ein privates Unternehmen zur Förderung der Entwicklungshilfe
Hintergrund: Entwicklungshelfer für Privatunternehmen in Kenia
Der Ingenieur X war in den Streitjahren 2009/2010 für die B-Partnerschaftsgesellschaft nichtselbständig tätig. Im Rahmen seines Anstellungsvertrags wurde er von September 2008 bis Juni 2011 – unter Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes - zur Durchführung eines Projekts nach Kenia entsandt. Grundlage dieser Tätigkeit war ein Consulting-Vertrag zwischen B und der F-GmbH. Die F-GmbH hatte B mit der Durchführung des Projekts beauftragt. Bei der F-GmbH handelt es sich um ein bundeseigenes privatrechtlich organisiertes, gemeinnütziges und weltweit tätiges Unternehmen der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung (wohl GEZ, jetzt GIZ, Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit). Das Projekt wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie der EU ("EU-Komponente") finanziert. X erhielt seinen Arbeitslohn ausschließlich von seiner Arbeitgeberin (B), die den Lohn aus Vergütungen der F-GmbH finanzierte.
Das FA sah den an X gezahlten Arbeitslohn als der beschränkten Steuerpflicht unterliegende inländische Einkünfte an. Das FG ging dagegen davon aus, der Arbeitslohn unterliege nicht der ESt und gab der Klage statt. Mangels Wohnsitzes im Inland sei X unstreitig nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Er sei auch nicht beschränkt steuerpflichtig, da aufgrund der Zwischenschaltung der B als privatrechtliches Unternehmen nicht von einer Vergütung aus einer öffentlichen Kasse i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG ausgegangen werden könne.
Entscheidung: Beschränkte Steuerpflicht bei Zwischenschaltung eines privaten Unternehmens in die öffentlich finanzierte Vergütung
Als inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Steuerpflicht sind nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu qualifizieren, die aus inländischen öffentlichen Kassen gewährt werden. Eine inländische öffentliche Kasse ist die Kasse einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, zu der auch eine ausländische Zahlstelle gehören kann. Darüber hinaus wird unter den Begriff der inländischen öffentlichen Kasse jede Kasse gefasst, die einer Institution angehört, die der Dienstaufsicht und der Prüfung ihres Finanzgebarens durch die öffentliche Hand - etwa durch die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder - unterliegt (H 3.11 "Öffentliche Kassen" LStR). Anknüpfungspunkt für den Besteuerungstatbestand als Inlandsbezug ist der Zahlungsvorgang zulasten der inländischen Volkswirtschaft, insbesondere des Fiskus und Kassenstaates (Kassenstaatsprinzip). Dadurch werden Besteuerungslücken geschlossen, wenn ein Arbeitnehmer nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, aber Einkünfte mit einem entsprechenden Inlandsbezug erzielt. Der Besteuerungszugriff korrespondiert mit Zahlungen aus inländischen Haushaltsmitteln und der Belastung des inländischen öffentlichen Haushalts.
Beschränkte Steuerpflicht, soweit der Arbeitslohn anteilig aus Bundesmitteln finanziert wird
Hiervon ausgehend ist X mit dem von B bezogenen Arbeitsentgelt beschränkt steuerpflichtig, aber nur soweit seine Vergütung anteilig aus Mitteln des Bundesministeriums finanziert wird. Eine Besteuerung scheidet aus, soweit sein Arbeitslohn aus EU-Mitteln ("EU-Komponente" des Projekts) finanziert wird.
Das Arbeitsverhältnis kann zu einem zwischengeschalteten privaten Unternehmen bestehen
Der Steuerpflicht steht nicht entgegen, das zwischen X und dem Träger der öffentlichen Kasse kein Dienstverhältnis bestand. Ein Dienstverhältnis zum Kassenträger wird für die Steuerpflicht nicht vorausgesetzt. Das konkrete Dienstverhältnis kann auch zu einem privatrechtlich organisierten oder ausländischen Arbeitgeber bestehen. Die Bezüge müssen deshalb nicht unmittelbar von der öffentlichen Kasse gezahlt werden. Es reicht vielmehr aus, wenn das im Ausland gezahlte Arbeitsentgelt der auszuzahlenden Stelle durch die öffentliche Kasse erstattet wird oder die entsprechenden Mittel im Vorhinein gewährt werden, um es dem Arbeitgeber zu ermöglichen, die Vergütung zu bezahlen.
Abkommensrechtliche Problematik
Der BFH konnte allerdings nicht abschließend entscheiden, ob das Abkommensrecht der inländischen Besteuerung entgegensteht. Der Fall wurde daher zur weiteren Sachverhaltsfeststellung an das FG zurückverwiesen. Der BFH verweist hinsichtlich der Erweiterung des Kassenstaatsprinzips durch die Entwicklungshelfer-Klausel in Nr. 5 des Protokolls zu Art. 18 DBA Kenia auf das Urteil zu der Entwicklungshelfer-Klausel in Art. 19 DBA Indonesien. Danach ist nicht auf die Gesamtvergütung abzustellen, sondern die Kassenstaatsklausel kann sich auch auf Vergütungsteile beziehen, wenn sie "vertikal" abspaltbar ein konkretes Projekt betreffen und die Mittel dafür ausschließlich aus dem finanzierenden Vertragsstaat herrühren. Anders ist es bei einer – hier möglicherweise vorliegenden - Mischfinanzierung eines einheitlichen Projekts. Dann bleibt das Kassenstaatsprinzip auf der Grundlage einer horizontalen Teilung nicht erhalten (BFH Urteil vom 07.07.2015 - I R 42/13, BStBl II 2016, 14). Allerdings könnte das Besteuerungsrecht Deutschlands nach § 50 Abs. 7 EStG erweitert werden. Die Vorschrift erfasst jedenfalls nicht die aus EU-Mitteln finanzierten Einnahmen. Die Regelung wäre somit nur anwendbar, wenn die Mittel aus dem Bundeshaushalt die Vergütungen "ganz oder im Wesentlichen" finanzierten. Dafür wäre ein inländischer Finanzierungsanteil von 75 % ausreichend. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen nachholen müssen.
Hinweis: Das Kassenstaatsprinzip gilt auch bei Zwischenschaltung eines privaten Unternehmers
Entscheidend für den Inlandsbezug ist die Zahlung aus inländischen Haushaltsmitteln und die Belastung des inländischen öffentlichen Haushalts. Eine Besteuerung kommt daher nicht in Betracht, soweit die Arbeitsvergütung anteilig aus EU-Mitteln finanziert wird. Ein Dienstverhältnis zum Kassenträger wird nicht vorausgesetzt. Das Besteuerungsrecht steht daher auch Deutschland zu, wenn private Unternehmen wie die GIZ in öffentlich finanzierte Entwicklungshilfeprojekte eingeschaltet werden. Für die abkommensrechtlichen Entwicklungshelfer-Klauseln ist zwischen trennbaren Projekten (vertikale Aufteilung) und Mischfinanzierungen (keine horizontale Aufteilung) zu differenzieren.
BFH Urteil vom 28.03.2018 - I R 42/16 (veröffentlicht am 22.8.2018)
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