Aufrechnung gegen einen Erstattungsanspruch der Masse mit anderen Steueransprüchen
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Unternehmerin. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens war im März 2010 erfolgt. Das Finanzamt verrechnete ein Guthaben aus der bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzung 2006 mit bereits zur Tabelle angemeldeten, festgestellten Insolvenzforderungen. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Aufrechnung unzulässig sei, weil die Steueransprüche auf insolvenzrechtlich anfechtbaren Rechtshandlungen beruhten. Das Finanzamt erließ in der Folge einen Abrechnungsbescheid, in dem es von der Wirksamkeit der Aufrechnung ausging. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, der überwiegend erfolglos blieb.
War die Aufrechnung wirksam?
Das FG hat dem Finanzamt recht gegeben und entschieden, dass die Aufrechnung nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen nicht ausgeschlossen ist.
Nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach § 129 Abs. 1 InsO nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten.
Anfechtbar ist nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
Nach diesen Grundsätzen war die Aufrechnung mit dem aus der Berichtigung von Vorsteuer nach § 17 UStG resultierenden Anspruch auf die Umsatzsteuervorauszahlung 2/2010 steuerrechtlich zulässig und wirksam. Die Aufrechnung war auch nicht nach insolvenzrechtlichen Gründen ausgeschlossen, da das Finanzamt den Anspruch auf Umsatzsteuervorauszahlung 2/2010 nicht durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Der Anspruch des Finanzamts resultierte vielmehr aus der gesetzlich gebotenen Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG. Durch welche Rechtshandlung das Finanzamt den in Rede stehenden Anspruch sonst erlangt haben könnte, ist nicht ersichtlich.
Begriff der Rechtshandlung
Der Begriff der Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. InsO ist weit auszulegen. Als Rechtshandlung kommt jede Handlung in Betracht, die zum Erwerb einer Gläubiger- oder Schuldnerstellung führt, d. h. ein von einem Willen getragenes Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann. Erfasst werden nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen und Realakte, denen das Gesetz Rechtswirkungen beimisst.
Im Streitfall hat der BFH auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hin die Revision zugelassen, Az beim BFH VII R 23/20. Der BFH wird nun darüber zu befinden haben, ob das Finanzamt vorliegend nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen einen Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse mit anderen Steueransprüchen aufrechnen durfte und ob es die Aufrechnungslage durch eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne von 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO erlangt hat. Wäre dies der Fall, wäre die Aufrechnung unzulässig.
-
Vermietung an den Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
812
-
BVerfG verhandelt im November zum Solidaritätszuschlag
707
-
Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nach § 268 AO ist unwiderruflich
690
-
Abschreibung für eine Produktionshalle
632
-
Selbst getragene Kraftstoffkosten bei der 1 %-Regelung
544
-
Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei sanierungsrechtlicher Genehmigung
519
-
Abzug von Fahrtkosten zur Kinderbetreuung
493
-
Neue Grundsteuer B in Baden-Württemberg ist verfassungsmäßig
473
-
Sonderausgabenabzug für einbehaltene Kirchensteuer auf Kapitalerträge aus anderen Einkunftsarten
465
-
Anschrift in Rechnungen
421
-
Alle am 21.11.2024 veröffentlichten Entscheidungen
21.11.2024
-
Keine Rückstellung für vorläufig festgesetzte Zinsrückzahlung
21.11.2024
-
Erfordernis der Glaubhaftmachung gem. § 52a Abs. 6 FGO
20.11.2024
-
Betriebsausgabenabzug für steuerfreie Photovoltaikanlagen auch in 2022 möglich
18.11.2024
-
Keine AdV bei geltend gemachter Verfassungswidrigkeit der Grundsteuerwertermittlung
18.11.2024
-
BFH zur Vorteilsminderung bei der 1 %-Regelung
18.11.2024
-
Bestattungskosten als Nachlassverbindlichkeiten bei Zahlung aus einer Sterbegeldversicherung
18.11.2024
-
Erbschaftsteuerlicher Freibetrag bei Erbverzicht der Elterngeneration
18.11.2024
-
Hinzurechnungsbesteuerung und Kapitalverkehrsfreiheit bei Schweizer Tochtergesellschaften
15.11.2024
-
Keine Kfz-Steuerbefreiung bei untergeordneter land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit
15.11.2024