Ausländischer Anspruch auf kindergeldähnliche Leistungen

Das FG hat das ausländische Recht von Amts wegen festzustellen. Bei der Prüfung des Sachverhalts gelten erweiterte Mitwirkungspflichten der Beteiligten.

Hintergrund

Der polnische Staatsbürger A betrieb im Inland einen Gewerbebetrieb und wohnte auch im Inland. Seine Ehefrau lebte mit den beiden minderjährigen Kindern in Polen und war dort nicht berufstätig. Im Revisionsverfahren war streitig, ob A für September 2006 bis August 2009 Kindergeld in voller Höhe nach dem EStG zusteht.

Aus einer Bescheinigung der polnischen Sozialversicherungsbehörde ging hervor, dass A dort nicht versichert sei. Er war in Deutschland privat kranken- und rentenversichert. Aus einem Vordruck des polnischen Trägers ergab sich, dass die Ehefrau des A keinen Anspruch auf Familienleistungen habe.

Die Familienkasse setzte Für A Kindergeld in hälftiger Höhe des gesetzlichen Anspruchs fest. Das FG gab der Klage statt. Es sprach das Kindergeld in voller Höhe zu, da nach polnischem Recht für den Streitzeitraum kein Anspruch auf kindergeldähnliche Leistungen bestanden habe.

Mit der Revision wandte sich die Familienkasse gegen die Prüfung eines Anspruchs des A nach polnischem Recht. Dem FG - und entsprechend der Familienkasse - obliege keine solche Prüfungspflicht. Vielmehr sei es Sache desjenigen, der Kindergeld beanspruche, darzulegen, dass kein Anspruch auf vergleichbare Leistungen im Ausland bestehe.

Entscheidung

Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen zu zahlen sind oder bei Antragstellung zu zahlen wären, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

Der BFH verpflichtet das FG - und im Übrigen auch die Familienkasse - eine Entscheidung über das Bestehen eines ausländischen Anspruchs auf kindergeldähnliche Leistungen zu treffen. Entgegen der Auffassung der Familienkasse sieht das Gesetz für diese Prüfung keine Erleichterungen vor. An die Feststellungen des FG zum ausländischen Recht ist der BFH sodann gebunden. Die Revision kann daher nicht darauf gestützt werden, das FG-Urteil beruhe auf fehlerhafter Anwendung des ausländischen Rechts. Die Bindungswirkung entfällt jedoch, soweit die Feststellungen des FG auf einem nur kursorischen Überblick über die zu behandelnde Materie beruhen. An die Ermittlungspflicht sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer oder je fremder das anzuwendende ausländische Recht ist.

Die von Amts wegen bestehende Pflicht zur Ermittlung des ausländischen Rechts ist von der Ermittlung des Sachverhalts zu unterscheiden. Hier haben die Beteiligten bei der Aufklärung mitzuwirken. Bei Vorgängen im Ausland trifft sie eine erweiterte Mitwirkungspflicht. Diese erweiterte Mitwirkungspflicht für Auslandssachverhalte ist jedoch auf Tatsachen beschränkt, sie bezieht sich nicht auf die - dem FG und der Familienkasse obliegende - Ermittlung des ausländischen Rechts.

Für den Streitfall bejaht der BFH die ordnungsgemäße Ermittlung des polnischen Rechts und des zugrunde liegenden Sachverhalts durch das FG. Die Revision der Familienkasse wurde daher zurückgewiesen.

Hinweis

Im Streitfall ging es um eine sehr komplizierte polnische Rechtslage. Gleichwohl ist es Pflicht der Familienkasse oder des FG und nicht der Beteiligten, diese zu klären. Familienkasse und FG können sich nicht darauf berufen, es sei Sache des Betroffenen, durch Unterlagen nachzuweisen, dass ihm kein Anspruch auf kindergeldähnliche Leistungen in Polen zusteht. Für die Praxis dürfte es aber zweckmäßig sein, wenn sich auch die Betroffenen um die Klärung der ausländischen Rechtslage kümmern.

Anders ist es bei der Aufklärung des Sachverhalts bei Auslandsbezug (§ 90 Abs. 2 AO). Hier trifft die Beteiligten eine gesteigerten Mitwirkungspflicht. Kommen sie dieser nicht nach, geht dies zu ihren Lasten.     

BFH, Urteil v. 13.6.2013, III R 63/11, veröffentlicht am 25.9.2013


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