Der BFH sieht die Besteuerungsgleichheit als problematisch an bei der Gleichstellung der Steuerklasse II (u.a. Geschwister, Neffen und Nichten) mit der Steuerklasse III (fremde Dritte) im Jahr 2009 sowie bei der Möglichkeit, durch bestimmte Gestaltungen (gewerblich geprägte Personengesellschaft, Kapitalgesellschaft) die Steuerfreiheit zu erreichen.

Hintergrund

A ist zu 1/4 Miterbe des 2009 verstorbenen Bruders seines Vaters. Der Nachlass besteht aus Bankguthaben und einem Steuererstattungsanspruch. Der Anteil des A beträgt 51.266 €. Unter Berücksichtigung des Freibetrags von 20.000 € wandte das Finanzamt auf den steuerpflichtigen Erwerb von 31.200 € den Steuersatz von 30 % nach Steuerklasse II an, so dass sich eine ErbSt von 9.360 € ergab. A wandte dagegen ein, auch für ihn sei der - nach dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009 erst ab 2010 vorgesehene - Steuersatz von 15 % anwendbar, da die nur für Steuerentstehungszeitpunkte in 2009 geltende Gleichstellung der Personen der Steuerklasse II (u.a. Geschwister, Neffen und Nichten) und III (fremde Dritte) verfassungswidrig sei. Das Finanzgericht wies die Klage ab. Es sei verfassungsrechtlich nicht geboten, die Steuerklasse II besser zu stellen als die Steuerklasse III. 

Entscheidung

Der BFH fordert das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zum Verfahrensbeitritt auf, um zu den verfassungsrechtlichen Fragen Stellung zu nehmen.

Der BFH weist zunächst auf die vielfachen, im Schrifttum erhobenen Bedenken gegen die auf Steuerentstehungszeitpunkte im Jahr 2009 beschränkte Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und II hin. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurde die Steuerklasse II wieder ab 2010 begünstigt.

Sodann hebt der BFH hervor, dass - auch nach dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz - die Möglichkeit besteht, Vermögen jeder Art und in jeder Höhe von Todes wegen oder durch Schenkung steuerfrei zu erwerben, wenn der Erblasser/Schenker eine geeignete Gestaltung wählt. Die entsprechenden Regelungen könnten deshalb verfassungswidrig sein, da es auf die Gemeinwohlverpflichtung und Gemeinwohlbindung des erworbenen Vermögens nicht ankommt. Bedenken bestehen hinsichtlich des allgemeinen Gleichheitssatzes, der die Ausrichtung der Steuer an den Grundsätzen der Leistungsfähigkeit und Folgerichtigkeit gebietet. Der BFH weist z.B. auf die Gestaltungsmöglichkeit des begünstigten Erwerbs eines Anteils an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft hin, während ein Erwerb im Privatvermögen - wie im Streitfall - der vollen Besteuerung unterliegt. Dasselbe Ergebnis kann auch dadurch erreicht werden, dass eine GmbH, an der der Erblasser/Schenker zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt ist, als Betriebsvermögen lediglich Geldforderungen hält, die Wertpapieren nicht vergleichbar sind.

Bereits in früheren Entscheidungen hat der BFH auf die verfassungsrechtliche Problematik, durch bloße Rechtsformwahl Steuervergünstigungen bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer zu erreichen, hingewiesen.

Hinweis

Dem Duktus der Entscheidung dürfte zu entnehmen sein, dass der BFH - auch nach der Neuregelung - von der Verfassungswidrigkeit ausgeht. Es ist wohl damit zu rechnen, dass - nach Eingang der Stellungnahme des BMF - der BFH das Verfahren aussetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen wird. Die endgültige Klärung der Problematik dürfte sich daher noch hinziehen. 

Beschluss v. 5.10.2011, II R 9/11, veröffentlicht am 16.11.2011