Berechnung der abziehbaren Unterhaltszahlungen bei Selbstständigen
Hintergrund
Unterhaltsaufwendungen gegenüber einer unterhaltsberechtigten Person sind bis zu 8.004 EUR (im Streitjahr 2008: 7.680 EUR) abziehbar (§ 33a Abs. 1 EStG). Unterhaltspflichtig ist aber nur derjenige, dem genügend Mittel für seinen eigenen Lebensbedarf (einschließlich seiner Familie) verbleiben (sog. Opfergrenze). Die Aufwendungen sind nur insoweit abziehbar, als sie die Opfergrenze nicht übersteigen. Nach der vom BFH akzeptierten Verwaltungspraxis (zuletzt BMF-Schreiben v. 7.6.2010, BStBl I 2010, 582) beträgt die Opfergrenze 1 % je volle 500 EUR Nettoeinkommen (höchstens 50 %). Diese Höchstgrenze wird um je 5 Prozentpunkte für den Ehegatten und jedes (zu berücksichtigende) Kind, höchstens um 25 Prozentpunkte gekürzt.
Der Vater eines minderjährigen Kindes erzielte im Streitjahr gewerbliche Einkünfte. Er machte Unterhaltszahlungen an seine Mutter in Höhe von 4.284 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend. Das FA errechnete - ausgehend von der Verwaltungsanweisung - die Opfergrenze wie folgt: Einkünfte des Streitjahrs 18.892 EUR ./. Steuern 8.587 EUR ergeben als verfügbares Nettoeinkommen 9.848 EUR. Dieses geteilt durch 500 EUR sind 19 %. Nach Kürzung um 5 % für das Kind ergibt sich eine Opfergrenze von 14 %. Das FA und ihm folgend das FG ließen dementsprechend nur 14 % von 9.848 EUR = 1.379 EUR zum Abzug zu.
Entscheidung
Der BFH widerspricht dieser Berechnung. Bei Selbstständigen unterliegen die Einkünfte naturgemäß stärkeren Schwankungen. Zur Vermeidung entsprechender Unregelmäßigkeiten bei den Unterhaltszahlungen ist daher zivilrechtlich der Berechnung ein längerer Zeitraum zugrunde zu legen. Da § 33a EStG die konkrete Unterhaltssituation berücksichtigt, ist die zivilrechtliche Betrachtung auch steuerlich maßgebend. Sie ist auf der Grundlage der von 2006 bis 2008 erzielten Einkünfte vorzunehmen und auf das Jahr 2008 zu beziehen. Diese Korrektur ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil sich die Berechnungsweise innerhalb mehrerer Jahre ausgleiche. Denn zu einem Ausgleich kommt es z.B. nicht, wenn nur für ein Jahr eine Unterhaltsverpflichtung besteht, weil der Empfänger nur in diesem Jahr keine eigenen Einkünfte erzielt.
Bei den Steuerzahlungen wird zivilrechtlich nicht hinsichtlich des Jahres, das eine Zahlung betrifft, differenziert. Die Steuerzahlungen sind daher bei der Berechnung des verfügbaren Nettoeinkommens auch insoweit abzuziehen, als sie andere Jahre als das Streitjahr betreffen.
Die Sache wurde an das FG zurückverwiesen, um die notwendige Berechnung anhand des Dreijahreszeitraums nachzuholen.
Hinweis
Wichtig ist, dass der BFH die - typisierende - Opfergrenzenregelung der Verwaltung als norminterpretierende Anweisung weiterhin im Grundsatz anerkennt. Eine Korrektur ist lediglich bei Selbstständigen mit schwankenden Einkünften erforderlich. Hier sind die durchschnittlichen Einkünfte unter Einbeziehung der beiden Vorjahre zu ermitteln, und zwar unter Berücksichtigung auch der Steuerzahlungen für andere Jahre. Das Gleiche hat für Steuererstattungen zu gelten. Ebenso müsste auch bei einem Nichtselbstständigen verfahren werden, dessen Bezüge entsprechenden Schwankungen unterliegen. Leider wird dadurch die bisherige Opfergrenzenregelung verkompliziert.
BFH Urteil vom 28.03.2012 - VI R 31/11 (veröffentlicht am 30.05.2012)
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