Einheitsbewertung eines Flachdach-Supermarkts (Altbundesgebiet)
Hintergrund: Supermarkt mit abgehängter Decke
X ist Erbbauberechtigte an einem Grundstück, auf dem in 2016 ein Supermarkt-Gebäude errichtet wurde. Streitig war die Einheitswertung des Erbbaurechts im Sachwertverfahren für Zwecke der Grundsteuer. Der Flachdachbau ist zum Teil mit einem Obergeschoss bebaut. Im gesamten Gebäude sind unterhalb des Flachdachs bzw. der Erdgeschossdecke zum Sichtschutz abgehängte Decken eingezogen. Darüber verlaufen die Versorgungsleitungen.
X beantragte, den Zwischenraum zwischen der abgehängten Decke und dem Dach in dem Teil des Gebäudes, über den sich das Obergeschoss nicht erstreckt, nur mit einem Drittel des Rauminhalts in die Berechnung des umbauten Raums einzubeziehen.
Das FA berücksichtigte dagegen den Zwischenraum in voller Höhe (Wertfortschreibung auf den 1.1.2017).
Das FG wies die Klage ab. Die BewRGr i.V.m. der DIN 277 (1950) differenzierten nach ausgebautem und nicht ausgebautem Dachraum. Der umbaute Raum zwischen einer abgehängten Decke und einem Flachdach sei kein – nicht ausgebautes – Dachgeschoss. Die die DIN 277 (1950) interpretierenden Zeichnungen in der Anlage 12 zu Abschn. 37 BewRGr (Anhang 18 BewRGr) sähen für Gebäude mit Pultdach die Möglichkeit eines – nicht ausgebauten – Dachgeschosses vor, nicht aber für ein Flachdachgebäude.
Mit der Revision wandte X u.a. ein, eine unterschiedliche Behandlung von abgehängten Decken unter Flachdächern und Pult-/Satteldächern sei nicht gerechtfertigt.
Entscheidung: Volle Anrechnung des Zwischenraums
Der BFH wies die Revision zurück. Bei der Berechnung des Gebäudewerts nach § 85 BewG i.V.m. Abschn. 36 bis 38 BewRGr ist das Raumvolumen zwischen der abgehängten Decke, den Außenwänden und der Dachhaut voll anzurechnen.
Grundstücksbewertung im Sachwertverfahren
Die Vorschriften über die Einheitsbewertung dürfen weiter angewandt werden (BVerfG v. 10.4.2018, 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147; BFH v. 18.09.2019, II R 15/16, BStBl II 2021, 64, Rz 16). Für die Bewertung des Erbbaurechts ist nach § 92 BewG i.V.m. § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG das Sachwertverfahren nach §§ 83 ff. BewG anzuwenden. Nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 1 BewRGr ist der umbaute Raum nach DIN 277 (November 1950x) zu berechnen. Nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 2 BewRGr werden u.a. ausgebaute Dachgeschosse mit dem vollen Rauminhalt angesetzt, während nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr nicht ausgebaute Dachräume mit einem Drittel ihres Rauminhalts berücksichtigt werden.
Umbauter Raum bei einem Flachdach
Nach Tz 1.2 der Anlage 12 zu Abschn. 37, 38 BewRGr ist mit einem Drittel anzurechnen der umbaute Raum des nicht ausgebauten Dachraums, der umschlossen wird von den Flächen nach Abschn. 1.131 oder 1.132 und den Außenflächen des Dachs. Ein Flachdach verfügt über nahezu keinen Dachraum. Ein auf allen Seiten von den Außenflächen der Umfassungen des Gebäudes umschlossener Raum, der sich baulich nicht von den Außenwänden des Gebäudekörpers abhebt, ist nicht "Dachraum" und demnach auch kein der Drittelregelung unterliegender "nicht ausgebauter Dachraum" i.S. des Abschn. 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr i.V.m. Tz. 1.2 der Anlage 12 zu den BewRGr. Er ist ungeachtet der Existenz abgehängter Zwischendecken nach Tz. 1.1 voll anzurechnen.
Ein Dachraum setzt bauliche Abgrenzung voraus
Die bewertungsrechtliche Behandlung eines Raums als Dachraum setzt voraus, dass zwischen dem Dachraum und dem voll anzurechnenden Raum eine bauliche Abgrenzung vorhanden ist. Rauminhalt, dessen seitliche Umschließung rundum durch Gebäudeaußenwände gebildet wird, ist kein Dachraum i.S. des Abschn. 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr und wird damit auch nicht von Abschn. 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr erfasst. Es ist daher nicht möglich, durch eine Verlagerung der entsprechenden Decke nach unten den der Drittelregelung zu unterwerfenden Dachraum beliebig zu vergrößern.
Allgemeiner Sprachgebrauch
Es entspricht auch dem allgemeinen Sprachgebrauch, unter Dachraum solchen Raum zu verstehen, dessen seitliche Umschließung durch das Dach gebildet wird. Andernfalls wäre jedes oberste Geschoss (ggf. auch ein Vollgeschoss) in einem Flachdachgebäude in vollem Umfange "Dachraum", was unabhängig von dem Ausbaugrad dem üblichen Verständnis widerspräche. Vielmehr entspricht es dem allgemeinen Verständnis, dass der Dachraum am Schnitt von Außenwand und Dachhaut beginnt. Auch die BewRGr gehen nicht davon aus, dass ein Dachraum bereits dadurch gebildet wird, dass unterhalb des Dachs an beliebiger Stelle eine (abgehängte) Decke eingezogen wird.
Die Nutzung des Zwischenraums ist unerheblich
Die tatsächliche Nutzung des zwischen der abgehängten Decke und dem Flachdach gebildeten Raumvolumens ist nicht erheblich. Die in Abschn. 37 Abs. 1 BewRGr enthaltene Typisierung für die Berechnung des umbauten Raums unterscheidet den ausgebauten von dem nicht ausgebauten Dachraum nach dem Grad der Raumnutzbarkeit (BFH v. 4.2.2020, II R 1/09, BFH/NV 2010, 1244, Rz 12 f.). Auch nach dieser Maßgabe muss jedoch zunächst ein Dachraum vorliegen. Liegt ein Dachraum vor, kommt es lediglich auf dessen typisierte Nutzbarkeit an, nicht auf die konkrete Nutzung.
Hinweis: Bedeutung für Flachdachbauten
In einem Parallelfall hat der BFH für das Beitrittsgebiet im Wesentlichen inhaltsgleich entschieden (BFH Urteil vom 14.10.2020 - II R 4/19 (veröffentlicht am 20.05.2021)). Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für in Flachdachbauweise errichtete Gewerbebauten mit abgehängten Decken. Der BFH stellt klar, dass sich aus dem Urteil vom 04.02.2010 - II R 1/09 (BFH/NV 2010, 1244) nichts anderes ergibt. Diese Entscheidung betrifft den Raum zwischen einer abgehängten Decke und einem geneigten Dach (Pultdach). Sie enthält keine Aussage zu einem Flachdach oder zu einem allseitig von Gebäudeaußenwänden umschlossenen Raumteil.
BFH Urteil vom 14.10.2020 - II R 27/18 (veröffentlicht am 20.05.2021)
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