Entfernungspauschale bei verkehrsrechtlichen Benutzungsverboten
Hintergrund
Zu entscheiden war, ob für die Entfernungspauschale die kürzeste Straßenverbindung auch dann maßgeblich ist, wenn diese mit dem verwendeten Verkehrsmittel straßenverkehrsrechtlich nicht benutzt werden darf.
X nutzt für die Fahrten zu seiner Arbeitsstätte im Überseehafen Rostock ein Moped. Die kürzeste Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beträgt 9 km und verläuft durch den mautpflichtigen Warnowtunnel. Die durch den Tunnel führende Teilstrecke ist eine "Kraftfahrstraße", die - ebenso wie Autobahnen - nur mit Kfz befahren werden darf, deren bauartbestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt (blaues Schild). Das Moped erreicht diese Geschwindigkeit nicht. Daher nutzt X eine 27 km lange Strecke durch Rostock.
X legte als Entfernung Wohnung/Arbeitstätte 27 km zugrunde. Das FA berücksichtigte dagegen nur 9 km. Diese Auffassung vertrat auch das FG und wies die Klage ab.
Entscheidung
Für die Entfernungspauschale ist die "kürzeste Straßenverbindung" zwischen Wohnung und Arbeitstätte (ab 2014: erste Tätigkeitsstätte) maßgebend. Eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG). Als "Straßenverbindung" ist die kürzeste Strecke auf öffentlichen Straßen, die dem allgemeinen Kfz-Verkehr dienen, zugrunde zu legen. Das gilt auch dann, wenn diese über eine "Kraftfahrstraße" führt, die nur von Fahrzeugen benutzt werden darf, deren bauartbestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt. Denn die "kürzeste Straßenverbindung" ist verkehrsmittelunabhängig für alle Fahrzeuge einheitlich zu bestimmen.
Der BFH beruft sich auf den Wortlaut und die Gesetzesmaterialien. Der Einsatz oder Wechsel des Verkehrsmittels hat keinen Einfluss auf die festgestellte Entfernung. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob die kürzeste Straßenverbindung mit dem gewählten Verkehrsmittel befahren werden darf. Andernfalls würde das gesetzgeberische Ziel verfehlt, eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale zu schaffen. Unerheblich ist auch, wenn - wie im Streitfall - bei der Benutzung der kürzeren Verkehrsverbindung Straßenbenutzungsgebühren anfallen.
Hinweis
Der BFH betont schließlich den jeder Pauschalierung innewohnenden Vereinfachungsgedanken. Umfangreiche Ermittlungen zum benutzten Verkehrsmittel und zur kürzesten Straßenverbindung sind damit nicht erforderlich. Dass bei der kürzeren Strecke Straßenbenutzungsgebühren anfallen, ist ebenfalls unerheblich. Denn statt der kürzesten Strecke kann die verkehrsgünstigere Verbindung nur dann angesetzt werden, wenn diese zu einer Zeitersparnis oder anderen Vorteilen im Verkehrsablauf (Streckenführung, Ampelschaltungen usw.) führt. Finanzielle Aspekte bleiben außen vor.
Die Pauschalierung kommt übrigens auch im umgekehrten Fall zum Tragen. Wer z. B. mit dem Fahrrad eine Abkürzung über einen Feldweg nimmt, kann gleichwohl die längere Straßenverbindung geltend machen.
Urteil, v. 24.9.2013, VI R 20/13, veröffentlicht am 5.2.2014.
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