Steuerfreie Entschädigungen für ehrenamtliche Richter
Hintergrund: Einnahmen aus ehrenamtlicher Richtertätigkeit
S, ein angestellter Steuerberater, war in 2010 auch als ehrenamtlicher Richter (Schöffe) beim Landgericht tätig. Er erhielt dafür Entschädigungen nach den Justizvergütungs- und Justizentschädigungsgesetz (JVEG), und zwar für Zeitversäumnis (565 EUR) und für Verdienstausfall (2.320 EUR), insgesamt 2.885 EUR. Streitig war die steuerliche Behandlung dieser Entschädigungszahlungen. Daneben erhielt S Aufwendungsersatz, der unstreitig nicht der Besteuerung unterliegt und dementsprechend vom FA steuerlich nicht erfasst wurde (Fahrtkosten 239 EUR, Parkgebühren 175 EUR, Tagegeld 30 EUR). Das FA sah in den Entschädigungen für Zeitversäumnis und für Verdienstausfall steuerpflichtige Einnahmen. Die Entschädigung für Zeitversäumnis beurteilte es als sonstige selbständige Einkünfte (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) und die Entschädigung für Verdienstausfall als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Das FG bejahte in beiden Fällen Einkünfte aus selbständiger Arbeit und wies die Klage ab.
Entscheidung: Entschädigung für Zeitversäumnis nicht steuerbar
Der BFH bejaht die Steuerbarkeit nur bei der Entschädigung für Verdienstausfall. Die Entschädigung für Zeitversäumnis ist dagegen nicht steuerbar. Insoweit gab der BFH der Klage statt.
Die gezahlte Entschädigung für den Verdienstausfall tritt an die Stelle entfallender Einnahmen des S aus nichtselbständiger Arbeit. Die Zahlungen werden durch § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugewiesen, zu denen die weggefallenen Einnahmen im Fall ihrer Erzielung gehört hätten. Das gilt auch dann, wenn der Ersatz von einem Dritten (hier: nicht vom Arbeitgeber, sondern aus dem Landeshaushalt) gezahlt wird. Da für S eine entsprechende Entschädigung ausgezahlt wurde, ist davon auszugehen, dass ihm ein vergleichbarer Einnahmeausfall tatsächlich entstanden ist.
Für die sonach steuerbare Verdienstausfall-Entschädigung greift auch keine Steuerbefreiung ein.
§ 3 Nr. 12 EStG (Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen) kommt nicht in Betracht. Denn die Zeitversäumnis-Entschädigung ist keine Ersatzleistung für entstandene Aufwendungen und Entschädigungen für Verdienstausfall sind ausdrücklich ausgenommen.
§ 3 Nr. 26 EStG (sog. Übungsleiter-Freibetrag) greift bereits deshalb nicht, weil keine der in der Vorschrift genannten Tätigkeitsbereiche (Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher usw.) vorliegt.
Auch § 3 Nr. 26a EStG (sog. Ehrenamtsfreibetrag) greift nicht ein. Denn die Steuerbefreiung ist ausgeschlossen, wenn für die Einnahmen aus der Tätigkeit - ganz oder teilweise - eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 oder Nr. 26 EStG gewährt wird. Das war hier der Fall. Denn S hatte neben den Entschädigungen für Zeitversäumnis und für Verdienstausfall auch Aufwandsentschädigungen (Fahrtkosten, Parkgebühren, Tagegeld, insgesamt 444 EUR) erhalten, wobei die beiden letzteren nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei sind. Um eine Doppelbegünstigung zu vermeiden, wird der Ehrenamtsfreibetrag nicht zusätzlich zu der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 gewährt. Beantragt und erhält der Steuerbürger - wie hier S - nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfreien Aufwendungsersatz, kommt daher die Gewährung des Freibetrags nach § 3 Nr. 26a EStG nicht mehr in Betracht.
Die Entschädigung für Zeitversäumnis ist dagegen nicht steuerbar. Sie steht unabhängig von einem Einkommensverlust oder einem sonstigen Nachteil zu. Es liegt somit keine Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor, da die Zahlung nicht an die Stelle entgangener oder entgehender Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit tritt. Es liegt auch keine steuerbare sonstige Leistung i.S.v. § 22 Nr. 3 EStG vor. Denn im Rahmen der Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter fehlt es an einem wirtschaftlichen Leistungsaustausch. Die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter und die Zeitversäumnis-Entschädigung stehen nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis.
Hinweis: Zeitversäumnis-Entschädigung ebenso wie Aufwendungsersatz steuerfrei
Die Verwaltungspraxis geht bisher sowohl bei der Verdienstausfall-Entschädigung als auch bei der Zeitversäumnis-Entschädigung von steuerbaren und steuerpflichtigen Einnahmen aus. Der BFH stellt nunmehr - entgegen einer verbreiteten Literaturmeinung - klar, dass die Entschädigung für Zeitversäumnis ebenso wie der Ersatz für Aufwendungen nach dem JVEG nicht zu versteuern sind. In der Praxis der Finanzgerichte fällt allerdings auf, dass viele ehrenamtliche Richter den mit der Ausfüllung des Formulars verbundenen Zeitaufwand vermeiden und weder Entschädigung noch Aufwendungsersatz geltend machen.
BFH, Urteil v. 31.1.2017, IX R 10/16, veröffentlicht am 22.3.2017
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