Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim
Streitig war im vom FG München entschiedenen Fall, ob das Finanzamt dem Kläger im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer in Bezug auf ein ererbtes Wohnhaus zu Unrecht die Steuerbefreiung als Familienheim verweigert hat. Am 19.6.2015 verstarb A, die Mutter (Erblasserin) des Klägers. Die Erblasserin hatte bis dahin in dem ihr gehörenden und von ihr gemeinsam mit B – ihrer Tochter und Schwester des Klägers – bewohnten Wohnhaus in X gelebt. Dort war die Erblasserin auch mit ihrem Wohnsitz gemeldet.
Haus im Nachlass
Laut Erbschein wurde die Erblasserin je zur Hälfte vom Kläger und seiner Schwester beerbt. Im Nachlass der Erblasserin befand sich außer dem Haus in X unter anderem noch ein weiteres Wohnhaus in Y. In dem zuletzt genannten Haus ist der Kläger mit Wohnsitz gemeldet. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 8.6.2016 setzten der Kläger und seine Schwester die zwischen beiden bestehende Erbengemeinschaft nach ihrer Mutter dahingehend auseinander, dass der Kläger das Haus in Y und seine Schwester das Haus in X jeweils zum Alleineigentum erhielten. Der Kläger und seine Schwester reichten die Erbschaftsteuererklärungen ein. Die Schwester des Klägers deklarierte das Haus in X teilweise als steuerbefreites Familienheim.
Mit Schreiben vom 30.7.2019 hatte der steuerliche Vertreter des Klägers beim Beklagten vorgetragen, dass es sich bei dem Haus in Y, um ein von der Erbschaftsteuer befreites Familienheim handeln würde und beantragte, ihm deshalb die entsprechende Steuerbefreiung zu gewähren. Das Finanzamt teilte dessen Rechtsauffassung nicht und setzte im Erbschaftsteuerbescheid die Erbschaftsteuer des Klägers dementsprechend auf X EUR fest.
Erbschaftsteuerliche Folgen
Unter anderem wegen der fehlenden Gewährung der Steuerbefreiung als Familienheim legte der Kläger gegen die Steuerfestsetzung Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb und den das Finanzamt durch Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückwies. Hiergegen richtet sich die Klage, die der Kläger wie folgt begründet: Seine Erbschaftsteuer sei herabzusetzen, weil ihm die Steuerbefreiung als Familienheim für das Haus in Y zustehe. Das Haus hätten seine Eltern im Jahre 1954 erworben und ab diesem Zeitpunkt selbst bewohnt. Nachdem sein Vater, der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin, einen Schlaganfall erlitten hätte und auf einen Rollstuhl angewiesen gewesen wäre, hätte die Familie im Jahre 2002 für ihn Pflegepersonal gesucht.
Eine weitere Wohnnutzung wäre für seine Eltern damals auf Dauer ausgeschlossen gewesen. Ein barrierefreier Umbau des Hauses wäre unmöglich gewesen, die vierstufige Eingangstreppe hätte ein Mobilitätshindernis dargestellt und der Einbau eines Treppenliftes wäre wegen des engen Treppenhauses nicht infrage gekommen. Im Sinne der Steuerbefreiungsvorschriften für ein Familienheim hätten somit seinerzeit zwingende Gründe für seine Eltern bestanden, aus dem Haus auszuziehen. Er sei dann zum 19.6.2002 selbst in das Haus eingezogen und bewohne es als Erbe seiner Mutter über den Erbfall hinaus weiter selbst. Bei Gewährung der ihm zustehenden Steuerbefreiung des Grundbesitzwertes sei keine positive Erbschaftsteuer mehr gegen ihn festzusetzen. Der Kläger beantragte, den Erbschaftsteuerbescheid in Gestalt der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf 0 EUR herabgesetzt wird. Das Finanzamt beantragte hingegen, die Klage abzuweisen.
Keine Steuerbefreiung als Familienheim
Nach dem FG München ist die Klage fristgerecht erhoben (§ 47 FGO) und auch im Übrigen zulässig. Die Klage ist nur teilweise begründet und hat insoweit Erfolg, als der Beklagte bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer des Klägers einen zu hohen Wert des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbs des Klägers berücksichtigt hat. Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet. Dies gilt insbesondere für das auf die Zuerkennung der Steuerbefreiung des Grundbesitzwertes des Hauses in Y (unter dem Gesichtspunkt des Familienheimes gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) gerichtete Klagebegehren. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung als Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG sind im Streitfall in Bezug auf das Haus in Y nicht erfüllt. Der Beklagte hat dem Kläger die Steuerbefreiung als Familienheim aber deshalb zu Recht versagt, weil die Erblasserin das Haus in Y weder bis zu ihrem Tode zu Wohnzwecken eigengenutzt hat, noch der der Eigennutzung gleichgestellte Ausnahmetatbestand vorgelegen hat. Das FG München begründet dies unter anderem wie folgt: Entscheidend ist, dass die Erblasserin durch ihren Auszug aus ihrem Haus in Y ihren bis dahin dort befindlichen Hausstand in Y aufgegeben und für einen Zeitraum von weit über einem Jahrzehnt einen neuen Hausstand in ihrem weiteren Haus in X begründet und unterhalten hatte. Hierdurch hatte die Erblasserin ihren Lebensmittelpunkt zweifelsfrei nach X verlegt.
Erfüllt die zum neuen Lebensmittelpunkt bestimmte Wohnung ihrerseits die Voraussetzungen für ein Familienheim im oben genannten Sinne, so scheidet die Anwendung der Steuerbefreiung für die bisherige Wohnung aus. Der erkennende Senat versteht den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zweck der Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG in dem Sinne, dass die Steuerbefreiung nur auf diejenige Immobilie Anwendung finden soll, die als zeitlich letzte vor dem Erbfall die Funktion als Familienheim des Erblassers erfüllt hat. Nach Ansicht des FG München hat der Gesetzgeber nicht beabsichtigt, im Falle des wiederholten Wechsels des Lebensmittelpunktes des Erblassers jede diesem gehörende Immobilie zu begünstigen, die der Erblasser im Laufe seines Lebens zeitweise zu Wohnzwecken eigengenutzt und aus den in § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG gemeinten zwingenden Gründen verlassen hatte. Der Auszug aus der bislang eigengenutzten Immobilie unter gleichzeitiger Verlegung des Lebensmittelpunktes in eine andere eigengenutzte Immobilie ist nicht mit dem vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Fall des Umzuges in ein Senioren- oder Pflegeheim aus zwingenden gesundheitlichen Gründen gleichzustellen. Die Steuerbefreiung als Familienheim kann schließlich auch nur für ein einziges Objekt in Betracht kommen. Dies gilt sowohl bei gleichzeitiger Eigennutzung mehrerer Immobilien durch den Erblasser/die Erblasserin zu seinen/ihren Lebzeiten als auch im Falle zeitlich aufeinander folgender Eigennutzung verschiedener in seinem/ihrem Eigentum stehender Immobilien.
Die Steuerbefreiungsvorschrift begründet nach dem Erbfall ebenso wenig ein Recht des oder der Erben zwischen mehreren ererbten Immobilien, die vom Erblasser/von der Erblasserin nacheinander zeitweise selbst genutzt worden und aufgrund zwingender Gründe jeweils wieder verlassen worden waren, auszuwählen. Das Haus in Y hat deshalb im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin als deren Familienheim nicht mehr in Betracht kommen können. Der Kläger vermag die Steuerbefreiung als Familienheim gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG auch nicht im Hinblick auf das von ihm zur Hälfte erworbene Haus in X geltend zu machen. Dies scheidet – ungeachtet aller weiteren Rechtsüberlegungen – schon deswegen aus, weil er dieses Haus nach dem Erbfall nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.
FG München Urteil vom 16.06.2021 - 4 K 692/20 (veröffentlicht am 10.08.2021)
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