Umsatzsteuerfreiheit von Laborleistungen
Hintergrund: Leistungen eines Laborarztes ohne persönliches Vertrauensverhältnis zu den Patienten.
Die EuGH-Vorlage betrifft die Frage, ob ein Laborarzt ohne eine eigene Praxis und somit ohne unmittelbare Beziehung zu den Patienten umsatzsteuerfreie Leistungen erbringt. Der Arzt A, ein Facharzt für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik, führte in den Streitjahren (2009 bis 2012) ausschließlich Umsätze an ein privatrechtlich organisiertes Laborunternehmen aus, das Laborleistungen an niedergelassene Ärzte, Rehakliniken, Gesundheitsämter und Krankenhäuser erbringt. A leistete monatlich vergütete medizinische Analysen, die der vorbeugenden Beobachtung und Untersuchung von Patienten im Rahmen konkreter Behandlungsverhältnisse dienten.
A ging davon aus, seine Umsätze gegenüber dem Laburunternehmen seien als Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG. Das FA behandelte die Umsätze als steuerpflichtig, da die Leistungen nicht auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis zu den Patienten beruhten. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage mit der Begründung statt, begünstigte ärztliche Leistungen für Heilbehandlungen setzten kein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient voraus.
Entscheidung: Unionsrechtlich problematisches Verhältnis von § 4 Nr. 14 Buchst. a zu Buchst. b UStG
Die Steuerbefreiung für laborärztliche Leistungen kann unter folgenden Gesichtspunkten in Betracht kommen:
- Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt durchgeführt werden (§ 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG i. V. m. Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL)
- Diagnostik und Befunderhebung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. bb i. V. m. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL).
Der BFH vertritt die Auffassung, dass die von einem Laborarzt durchgeführten medizinischen Analysen, die außerhalb der Praxisräume des sie anordnenden Arztes durchgeführt werden, Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind, die den Tatbestand der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG i. V. m. Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL erfüllen. Denn medizinische Analysen ermöglichen die vorbeugende Untersuchung der Patienten und dienen damit dem mit der Steuerbefreiung verfolgten Zweck der Senkung der ärztlichen Kosten. Fraglich ist jedoch, ob diese Steuerbefreiung (Heilbehandlungen) bei medizinischen Analysen von vornherein nicht anwendbar ist, weil sie durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL verdrängt wird. Der EuGH wird zur Klärung der Frage ersucht, ob medizinische Analysen, die von einem Labor außerhalb der Praxis des sie anordnenden Arztes durchgeführt werden, nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b i. V. m. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL, nicht aber auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG i. V. m. Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL steuerfrei sind. Dementsprechend wird der EuGH zu entscheiden haben, ob Laborleistungen nur unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b i. V. m. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL steuerbefreit sind.
Frage des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient
Außerdem stellt sich, falls Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL anwendbar ist, die Frage, ob die Regelung ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient voraussetzt. Das in früheren EuGH-Entscheidungen behandelte Merkmal "im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Behandelndem" findet sich in neueren Entscheidungen des EuGH nicht mehr. Der BFH vertritt dazu die Auffassung, dass diesem Abgrenzungsmerkmal zwischen den Befreiungstatbeständen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL keine entscheidende Bedeutung zukommt. Danach ist das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient keine zwingende Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer Tätigkeit im Rahmen einer Heilbehandlung i. S. d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG. Ein solches Vertrauensverhältnis bildet lediglich einen typischen Anwendungsfall der Befreiungsvorschrift.
Hinweis: Abweichung von der Verwaltungsauffassung
Der BFH widerspricht der Verwaltungsauffassung, die dahingeht, dass sich Laborärzte, die nicht in einem persönlichen Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten stehen, nicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG berufen können (Abschn. 4.14.1 Abs. 1 und 4.14.5 Abs. 9 UStAE, BMF-Schreiben v. 20.11.2013, IV D 3-S 7170/11/10005, BStBl I 2013, 1581). Rechtsgrundlage der Anrufung des EuGH ist Art. 267 Abs. 3 AEUV. Danach ist ein letztinstanzliches Gericht, wenn sich ihm eine unionsrechtliche Frage stellt, verpflichtet, den EuGH zu einer Entscheidung zu ersuchen. Anhängige Verfahren sollten bis zu der erwarteten Klärung durch den EuGH offen gehalten werden.
BFH, Beschluss v. 11.10.2017, XI R 23/15; veröffentlicht am 13.12.2017.
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