EuGH-Vorlagen zur Sollbesteuerung und zur Margenbesteuerung

Der BFH legt dem EuGH die Frage vor, ob der Unternehmer verpflichtet ist, die geschuldete USt vorzufinanzieren, wenn er die Vergütung (teilweise) nicht zeitnah zur Leistungserbringung, sondern erst zwei Jahre danach erhalten kann.

Hintergrund: Bedingte Entgeltforderung

X war im Streitjahr 2012 als Spielervermittlerin im Profifußball tätig. Sie versteuerte ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten. Bei erfolgreicher Vermittlung von Spielern erhält sie Provisionszahlungen von den aufnehmenden Vereinen. Der Vergütungsanspruch setzt voraus, dass der Spieler beim neuen Verein einen Arbeitsvertrag unterschreibt und der Lizenzgeber (Deutsche Fußball Liga, DFL-GmbH) dem Spieler eine Spielerlaubnis erteilt. Die Provisionen werden in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrags gezahlt. Die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche stehen unter der auflösenden Bedingung des Bestehens des Arbeitsvertrags.

Das FA ging davon aus, X habe ihre in 2012 erbrachten Vermittlungsleistungen für drei Spieler auch insoweit bereits in 2012 zu versteuern, als sie Entgeltanteile für diese Vermittlungen erst in 2015 beanspruchen konnte. Dementsprechend unterwarf das FA die anteiligen Provisionsforderungen, die erst in 2015 fällig waren, bereits in 2012 der USt. Streitig war jeweils die Beurteilung des zum 1.3.2015 entstandenen Vergütungsbestandteils. Das FG gab der Klage mit dem Hinweis statt, die Vorfinanzierung der Steuer über mehrjährige Zeiträume sei unverhältnismäßig. X sei daher entsprechend dem Fall der Uneinbringlichkeit des Entgelts zur Berichtigung der USt berechtigt.

Entscheidung: Zweifelhafte Rechtslage bei mehrjähriger Vorfinanzierung

Nach dem Wortlaut des Art. 63 MwStSystRL kommt es lediglich darauf an, dass die Lieferung oder Leistung erbracht wird. Die Vereinnahmbarkeit des Entgelts ist ohne Bedeutung. Hier zieht der BFH in Zweifel, ob eine derart unbedingte Entstehung des Steueranspruchs gerechtfertigt ist mit der Folge, dass der Unternehmer – als Steuereinnehmer des Fiskus – bereits die von ihm für den Zeitraum der Leistungserbringung geschuldete Steuer über einen Zeitraum von mehreren Jahren (im Streitfall: 2 Jahre) vorzufinanzieren hat. Dabei wirft der BFH auch die Frage der Vereinbarkeit der unterschiedlichen Behandlung vereinnahmter Entgelte bei der Soll-Versteuerung und bei der Ist-Versteuerung mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 20 der EU-Grundrechtscharta) auf. Schließlich soll auch geklärt werden, ob (entsprechend der Auffassung des FG) die Mitgliedstaaten nach Art. 90 MwStSystRL befugt sind, bereits für den Besteuerungszeitraum der Steuerentstehung von einer Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage auszugehen, wenn der Unternehmer den zu vereinnahmende Betrag mangels Fälligkeit erst nach über zwei Jahren vereinnahmen kann.

Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und leitete ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH nach Art. 267 AEUV ein.

Hinweis: Wahrung der Verhältnismäßigkeit

Die Behandlung durch das FA entspricht der jahrzehntelangen Besteuerungspraxis, die der BFH nun im Hinblick auf das Unionsrecht in Zweifel zieht. In der Tat sollte der Gesichtspunkt, dass die Mehrwertsteuer letztendlich vom Verbraucher getragen wird und der Unternehmer lediglich als "Steuereinnehmer" für Rechnung des Staates fungiert, nicht zu sehr in den Hintergrund treten. Die Funktion als Steuereinnehmer kann es nicht rechtfertigen, dass der Unternehmer – über seine eigentliche Aufgabe hinaus – die Steuer für einen überlangen Zeitraum vorfinanzieren muss. Dem FG ist darin zuzustimmen, dass in Fällen der Unverhältnismäßigkeit besondere Härten durch die Auslegung des Berichtigungstatbestands der Uneinbringlichkeit (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG) gemildert werden können. Im Hinblick auf die ausstehende Klärung der Grundsatzfrage durch den EuGH sollten entsprechende Fälle offen gehalten werden.

BFH Beschluss vom 21.06.2017, V R 51/16 (veröffentlicht am 20.09.2017)​​​​​​​.



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