Fahrschulunterricht ist (vorläufig) umsatzsteuerfrei

Das FG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass Fahrschulunterricht umsatzsteuerfrei erteilt werden kann. Die Entscheidung beruht allerdings auf einer summarischen Prüfung des Gerichts und entfaltet noch keine Breitenwirkung.

Sachverhalt:

Der Betreiber einer Fahrschule (Einzelunternehmer) meldete die Umsätze aus seinem Fahrschulunterricht als steuerpflichtigen Umsatz in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juni 2015 an und legte zeitgleich Einspruch gegen die Voranmeldung ein. Zur Begründung trug er vor, dass seine Umsätze nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) umsatzsteuerfrei belassen werden müssten, da er begünstigte Unterrichtleistungen eines Privatlehrers im Sinne der Richtlinie erbringe, die zudem dem Gemeinwohl dienten. Er beantragte die Aussetzung der Vollziehung, die das Finanzamt jedoch ablehnte, sodass sie zum Gegenstand der finanzgerichtlichen Prüfung wurde.

Entscheidung:

Das Finanzgericht gewährte der Fahrschule die Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids. Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL wird von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht steuerfrei gestellt. Nach der Rechtsprechung des BFH ist maßgeblich, ob der Unternehmer Unterrichtseinheiten erbringt, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen. Erfasst werden hierbei nicht nur Unterrichtseinheiten, die zu einer Abschlussprüfung führen oder eine Berufsausübung vermitteln, sondern auch Tätigkeiten, bei denen die Unterweisung in (Hoch-)Schulen erfolgt, um Kenntnisse und Fähigkeiten von Schülern und Studenten zu entwickeln (außerhalb der bloßen Freizeitgestaltung). Nach diesen Grundsätzen hat der BFH mit Urteil vom 10.1.2008 (V R 52/06) entschieden, dass Kurse zum Thema „Sofortmaßnahmen am Unfallort“ begünstigter (Hoch-)Schulunterricht i. S. der Vorgängerrichtlinie (77/388/EWG) sein können und dies damit begründet, dass die Kultusministerien verschiedener Bundesländer es zumindest für wünschenswert halten, den Inhalt dieser Kurse in den Schulunterricht zu integrieren.

Das Finanzgericht erklärte, dass die Fahrausbildung nicht darauf beschränkt ist, verkehrstechnische Fähigkeiten zu schulen, sondern dem Teilnehmer auch weitere, dem Gemeinwohl dienende Kenntnisse vermitteln soll (u. a. Vermittlung einer realistischen Selbsteinschätzung, eines rücksichtsvollen Fahrverhaltens), was der „Türöffner“ für die Steuerfreistellung nach EU-Recht sein könnte.

Praxishinweis:

Da der Beschluss lediglich in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erging, bleibt der Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Im vorliegenden Fall muss zunächst das Finanzamt (abschlägig) über den Einspruch des Fahrlehrers entscheiden, sodass das Finanzgericht die Möglichkeit einer eingehenderen Prüfung erhält. Andere Fahrschulen können sich momentan noch nicht auf den AdV-Beschluss berufen – es empfiehlt sich aber, den Kontakt zum steuerlichen Berater zu suchen, der die weitere Rechtsentwicklung auf diesem Gebiet im Blick behalten sollte.

FG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 10.11.2015, 5 V 5144/15, Haufe Index 8889551


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