Gehaltsverzicht als Arbeitslohn
Hintergrund
X war mit 35 % an einer GmbH beteiligt und deren alleiniger Geschäftsführer. In seiner ESt-Erklärung für 1999 erklärte X einen Bruttoarbeitslohn von rund 90.000 DM sowie Werbungskosten (Reisekosten) von 20.000 DM. Das FA legte dagegen den in der LSt-Karte ausgewiesenen Bruttoarbeitslohn von 136.000 DM zugrunde. X erklärte die Differenz damit, er habe für 4 Monate auf sein Gehalt verzichtet, da die GmbH) in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei. Nach einer Vereinbarung aus 1997 war er befugt, während eines Liquiditätsengpasses auf sein Gehalt zu verzichten. Das FG bestätigte die Auffassung des X und gab der Klage statt.
Entscheidung
Arbeitslohn ist mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zugeflossen. Das ist regelmäßig der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs oder der Möglichkeit, den Leistungserfolg herbeizuführen. Eine Ausnahme gilt lediglich bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft. Bei diesen wird angenommen, dass sie über eine von der Gesellschaft geschuldete Vergütung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit verfügen können und ihnen damit entsprechende Einnahmen zugeflossen sind. Von dieser Zuflussfiktion werden allerdings nur Vergütungen erfasst, die die Gesellschaft den beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Einkommensermittlung ausgewirkt haben.
Außerdem kann auch der Verzicht des Gesellschafters auf seinen Vergütungsanspruch zum Zufluss des Forderungswerts führen, soweit damit eine verdeckte Einlage erbracht wird. Als verdeckte Einlagen sind allerdings nur Wirtschaftsgüter geeignet, die das Vermögen der Kapitalgesellschaft - durch Ansatz/Erhöhung eines Aktivpostens oder durch Wegfall/Verminderung eines Passivpostens - vermehrt haben. Ob das der Fall ist, bestimmt sich nach Bilanzrecht. Abzustellen ist deshalb darauf, inwieweit Posten in die Bilanz hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bilanz zum Zeitpunkt des Verzichts erstellt worden wäre.
Entscheidend ist damit, ob bzw. in wieweit im Zeitpunkt des jeweiligen Verzichts eine Gehaltsverbindlichkeit in eine Bilanz hätte eingestellt werden müssen, die zum Zeitpunkt des Verzichts erstellt worden wäre. Falls X im Vorhinein (vor Entstehung des jeweiligen Gehaltsanspruchs) verzichte, wurde er von vornherein unentgeltlich tätig, sodass es nicht zu einer Vermögensmehrung bei der GmbH kam. Bei einem Verzicht im Nachhinein hätte dagegen die GmbH zunächst Gehaltsverbindlichkeiten passivieren müssen. Bei einem Verzicht auf einen solchen bereits entstandenen Anspruch aus gesellschaftsrechtlichen Gründen erbringt der Geschäftsführer insoweit, als seine Forderung im Zeitpunkt des Verzichts werthaltig ist, eine zum Zufluss führende verdeckte Einlage. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist gegeben, wenn ein Nichtgesellschafter der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte, was durch Fremdvergleich festzustellen ist.
Der BFH verwies die Sache zur weiteren Tatsachenaufklärung an das FG zurück. Das FG hat festzustellen, wie die Gehälter bei der GmbH ausgezahlt wurden bzw. wann die Anweisung erging, die streitigen Monatsgehälter ausnahmsweise nicht auszuzahlen. Ferner ist zu prüfen, wie sich ggf. der Fremdvergleich darstellt. Liegen sonach verdeckte Einlagen vor, sind diese mit dem Teilwert zu bewerten. Entgegen der Auffassung des FA steht X der Werbungskostenabzug für die von ihm selbst getragenen Reisekosten zu. Denn diese wurden X seit Jahren nicht mehr von der GmbH erstattet. Damit war der Anspruch des X konkludent aufgehoben. Eine verdeckte Einlage scheidet daher aus.
Hinweis
Der BFH setzt damit die Grundsätze des Urteils v. 15.5.2013, VI R 24/12 (BStBl 2014 II S. 495) fort. Wird eine im Arbeitsvertrag zugesagte Zuwendung vor dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs aufgehoben, kann dem Arbeitnehmer weder Arbeitslohn über die Grundsätze des Zuflusses von Einnahmen bei einem beherrschenden Gesellschafter zufließen noch kann der Arbeitnehmer insoweit eine zuflussbegründende verdeckte Einlage bewirken. Entscheidend ist nicht, ob Ansprüche tatsächlich in den Büchern berücksichtigt worden sind, sondern inwieweit sie in eine Bilanz hätten eingestellt werden müssen, die zum Zeitpunkt des Verzichts (Erlassvertrags) erstellt worden wäre. Die Fiktion des Zuflusses bei Fälligkeit der von der Kapitalgesellschaft geschuldeten Gehälter kommt nur bei beherrschenden Gesellschaftern in Betracht.
BFH, Urteil v. 15.6.2016, VI R6/13, veröffentlicht am 31.8.2016
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