Grobe Fahrlässigkeit bei elektronischer Steuererklärung

Das schlichte Vergessen, einen Verlustbetrag in die elektronisch gefertigte ESt-Erklärung zu übertragen, ist - ebenso wie bei einer schriftlichen Erklärung - nicht grundsätzlich grob fahrlässig.

Hintergrund

Streitig war, ob das FA es zu Recht abgelehnt hat, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt auf den 31.12.2007 zu ändern und einen nachträglich geltend gemachten Veräußerungsverlust zu berücksichtigen.

 X war an einer GmbH beteiligt, die in 2007 liquidiert wurde. Der Verlust des X aus der Auflösung der GmbH betrug rund 200.000 EUR. Die vom Steuerberater des X gefertigten Erklärungen zur ESt und zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags enthielten keine Angaben zu dem Veräußerungsverlust. Dem Berater lagen zwar alle Fakten vor, aus denen sich ergab, dass der Verlust in 2007 zu erfassen war. Er hatte den Verlust auch entsprechend berechnet und beabsichtigt, ihn in den Erklärungsvordruck einzutragen. Jedoch hatte er den Übertrag in das entsprechende Feld des elektronischen DATEV-Formulars "schlicht vergessen".

Nach verschiedenen Änderungsbescheiden, die formell bestandskräftig wurden, beantragte X erstmals in 2011, den Verlustfestfeststellungsbescheid zu ändern und den Auflösungsverlust zu berücksichtigen. Die gegen die ablehnende Entscheidung des FA erhobene Klage wies das FG ab. Zwar treffe X selbst kein grobes Verschulden. Jedoch sei ihm das Verschulden seines Beraters zuzurechnen. Das Vergessen der Übertragung des bereits berechneten Verlustbetrags in den elektronischen Vordruck sei grob fahrlässig. Besondere Umstände, die den Berater vom Eintragen abgehalten hätten, seien nicht ersichtlich. Wegen des groben Verschuldens an dem nachträglichen Bekanntwerden der steuermindernden Tatsachen könne die Veranlagung nicht mehr geändert werden.  

Entscheidung

Der BFH vertritt eine großzügigere Auffassung.

Der BFH betont zunächst, dass der Begriff des Verschuldens i.S.v. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei elektronisch gefertigten Steuererklärungen grundsätzlich ebenso auszulegen ist wie bei schriftlich gefertigten Erklärungen. Allerdings ist bei elektronischen Erklärungen besonders zu berücksichtigen, dass die Übersichtlichkeit eingeschränkt sein kann und die ausgefüllten Felder mitunter schwieriger als bei einer Erklärung in Papierform zu überblicken sind.

Sodann stellt der BFH klar, dass Fehler und Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss, keine grobe Fahrlässigkeit darstellen. Insbesondere bei unbewussten Fehlern, die selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind, kann - nicht stets, aber im Einzelfall - grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein. Zu solchen unbewussten - rein mechanischen - Versäumnissen zählen bloße Übertragungs- oder Eingabefehler, wie sie selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind. Grobe Fahrlässigkeit liegt hier nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige oder der Berater in Steuerformularen gestellte Fragen bewusst nicht beantwortet oder klare und ausreichend verständliche Hinweise bewusst unbeachtet lässt.

Im Streitfall hat das FG keine objektiven Umstände festgestellt, die zweifelsfrei ein individuelles grobes Verschulden des Beraters - bewusste Nichtbeachtung entsprechender Angaben oder mangelnde Fachkenntnis - ergeben. Gleichwohl konnte der BFH den Fall nicht abschließend zugunsten des X entscheiden. Denn mangels ausreichender Freistellungen war nicht geklärt, ob den Berater möglicherweise aus anderen Gründen ein grobes Verschulden daran trifft, dass der Verlust dem FA erst nachträglich bekannt wurde. Der BFH hob daher das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.

Hinweis

Auch wenn der Verschuldensbegriff bei elektronischer Bearbeitung ebenso wie bei schriftlicher Bearbeitung in gleichem Sinne zu verstehen ist, anerkennt der BFH, dass bei der Bildschirmbearbeitung die Übersichtlichkeit eingeschränkt ist und daher Eingabefehler eher unterlaufen können als bei der Papierbearbeitung. Solche Eingabefehler, die auf den Besonderheiten des elektronischen Verfahrens beruhen, sind nicht als grobe Fahrlässigkeit zu werten.

Der BFH hebt hervor, dass der subjektive Verschuldensbegriff zugrunde zu legen ist und somit das individuelle Fehlverhalten festzustellen ist. Die Feststellungslast trägt insoweit das FA. Anhaltspunkte, die auf ein grobes Verschulden hindeuten, sind vom FA darzulegen und ggf. zu beweisen. Es ist daher - so die generelle Aussage des BFH - grundsätzlich davon auszugehen, dass Fehler des Steuerpflichtigen im Regelfall auf einem Versehen, also auf leichter Fahrlässigkeit beruhen. Verbleibende Zweifel hieran gehen zu Lasten des FA.