Grobes Verschulden bei komprimierter Elster-Steuererklärung

Der Steuerberater handelt grob fahrlässig, wenn er dem Mandanten lediglich die komprimierte ESt-Erklärung zur Prüfung vorlegt und ihm damit die Möglichkeit nimmt, die Angaben vollständig auf Richtigkeit zu überprüfen.

Hintergrund

Zu entscheiden war, ob die Änderung des bestandskräftigen ESt-Bescheids wegen groben Verschuldens des steuerlichen Berater am nachträglichen Bekanntwerden steuermindernder Tatsachen ausgeschlossen ist.

A ist Vater einer Tochter. Mit der Mutter lebte er bis Dezember 2006 in Haushaltsgemeinschaft. A beauftragte - wie für das Vorjahr - seinen Steuerberater (S) mit der Erstellung der ESt-Erklärung für das Streitjahr 2007. S fertigte die Erklärung anhand der Angaben des A und legte ihm die mit dem Elster-Programm erstellte, komprimierte ESt-Erklärung zur Prüfung und Weiterleitung an das FA vor. Die komprimierte Erklärung enthielt keine Rubriken zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende.

Nach Bestandskraft beantragte A die Änderung des Bescheids unter Berücksichtigung des Alleinerziehenden-Entlastungsbetrags. Das FG gab der Klage statt. Mangels Fragestellung habe A aus der komprimierten Erklärung nicht erkennen können, dass steuerrelevante Angaben fehlten. Da kein Anlass dazu bestanden habe, sei auch S nicht verpflichtet gewesen, bei A nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen.

Entscheidung

Der BFH vertritt einen strengeren Standpunkt. Das FG-Urteil wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der BFH bejaht grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden steuermindernder Tatsachen (Auflösung der Haushaltsgemeinschaft mit der Mutter) mit der Folge, dass eine Bescheidänderung zugunsten des A ausgeschlossen ist.

Es liegt zwar kein eigenes grobes Verschulden des A vor. Denn aus der komprimierten Erklärung war für ihn nicht ersichtlich, dass Angaben zur Gewährung des Alleinerziehenden-Entlastungsbetrags erforderlich waren.

Entgegen der Auffassung des FG bejaht der BFH jedoch grobes Verschulden des S. Dieser handelte, indem er dem A lediglich die komprimierte Erklärung überließ, grob fahrlässig. Denn A konnte, da die komprimierte Erklärung keine Fragen dazu enthielt, nicht erkennen, dass ein Alleinerziehenden-Entlastungsbetrag in Betracht kam und weitere Angaben erforderlich waren. S übernahm somit die Verantwortung dafür, dass die in der komprimierten Erklärung enthaltenen Angaben des A vollständig sind.

Der BFH stützt seine Auffassung auf folgende "Kontrollüberlegung": Erstellt der Steuerzahler seine Erklärung selbst, ist ihm grobes Verschulden anzulasten, wenn er eine ausdrückliche - für ihn verständlich gestellte - Frage nicht beantwortet. Würde man aber bei Aushändigung einer komprimierten Erklärung ein Verschulden des Steuerberaters verneinen, käme es zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung des fachlich vertretenen Steuerzahlers gegenüber einem nicht vertretenen.

Hinweis

Der Berater kann sich somit nicht darauf berufen, dass das Elster-Programm den Ausdruck der komprimierten Erklärung vorsieht. Vielmehr hat er selbst sicherzustellen, dass der Steuerzahler die Angaben in der Erklärung auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüfen kann. Es dürfte sich daher empfehlen, statt der komprimierten Erklärung die ausführliche Version auszudrucken.

Wichtig ist noch Folgendes: Der BFH hat ausdrücklich offen gelassen, ob ein Verschulden des S auch darin gesehen werden könnte, dass er bei A nicht nach dem Bestehen bzw. Nichtmehrbestehen der Haushaltsgemeinschaft mit der Mutter seines Kindes nachgefragt hat. Aus diesem "Offenlassen" ergibt sich, dass der BFH seine insoweit strenge bisherige Rechtsprechung in Frage stellt. Bisher verlangt der BFH z. B. von einem Steuerberater, auch ohne besonderen Anlass nach Krankheitskosten nachzufragen, die als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein könnten (BFH, Urteil v. 3.12.2009, VI R 58/07). Hier deutet sich eine Lockerung der Rechtsprechung an. Der Berater sollte nur zur Nachfrage verpflichtet sein, wenn sich aus dem Mandatsverhältnis erkennbar Anhaltspunkte für steuerlich relevante Sachverhalte ergeben.  

BFH, Urteil v. 16.5.2013, III R 12/12, veröffentlicht am 7.8.2013