Haftung des GmbH-Geschäftsführers - Ermittlung der USt

Der GmbH-Geschäftsführer kann im Haftungsverfahren trotz Unanfechtbarkeit Einwendungen gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzung vorbringen, solange diese unter Vorbehalt steht.

Hintergrund

Der Geschäftsführer einer GmbH, der für die bestandskräftig festgesetzte Steuerschuld der GmbH haftet, ist mit Einwendungen gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzung ausgeschlossen, wenn er als Vertreter den Bescheid hätte anfechten können (Drittwirkung der Steuerfestsetzung, § 166 AO)). Der BFH hatte zu entscheiden, ob dies auch dann gilt, wenn der Bescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung steht.

Das FA nimmt X als Geschäftsführerin für USt-Schulden der A-GmbH aus 2002 in Haftung. Der der Haftung zugrundeliegende Steuerbescheid wurde formell bestandskräftig. Der Einspruch der GmbH wurde zurückgewiesen. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb in der Einspruchsentscheidung ausdrücklich bestehen. Klage wurde von der GmbH nicht erhoben. Sie beantragte lediglich aufgrund diverser Unterlagen, den USt-Bescheid zu ändern und die steuerpflichtigen Umsätze zu mindern. Dieser Änderungsantrag wurde nicht beschieden.

X wandte sich mit Einspruch und Klage gegen den Haftungsbescheid und machte geltend, die USt sei gegen die GmbH zu hoch festgesetzt worden. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, X müsse die unanfechtbar gegenüber der GmbH festgesetzte Steuer nach § 166 AO gegen sich gelten lassen.

Entscheidung

Der BFH bestätigt zunächst, dass im Streitfall die Haftungsvoraussetzungen dem Grunde nach gegeben sind. Denn X hatte als Geschäftsführerin die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen. Diese Pflichten hatte sie schuldhaft verletzt, da sie die USt-Erklärung 2002 verspätet abgegeben und es auch versäumte hatte, die festgesetzte Steuer aus den Mitteln der GmbH zu entrichten.

Entgegen dem FG-Urteil vertritt der BFH jedoch die Auffassung, dass X nicht gehindert ist, jetzt noch Einwendungen gegen die Steuerschuld der GmbH geltend zu machen. Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung nach deren Unanfechtbarkeit lässt bei einer Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung den Anspruch des Steuerpflichtigen (GmbH) und seines Vertreters (X) auf Änderung der Steuerfestsetzung (aufgrund des Vorbehalts, § 164 Abs. 2 AO) unberührt. Beide Regelungen haben einen voneinander unabhängigen Anwendungsbereich. Auch wenn eine unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzt ist, also mit förmlichen Rechtsbehelfen (Einspruch, Klage, Nichtzulassungsbeschwerde, Revision) nicht mehr anfechtbar ist, kann eine solche Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist. Ein in Haftung genommener Vertreter kann daher auf eine Änderung einer solchen Steuerfestsetzung hinwirken und uneingeschränkt Einwendungen gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzung und gegen die Höhe der Haftungsschuld geltend machen.

Da über den Änderungsantrag nicht entschieden wurde, war die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen und der Vorbehalt der Nachprüfung bestand weiter. X war daher nicht gehindert, Einwendungen gegen den USt-Bescheid der GmbH für 2002 geltend zu machen. X wandte sich im Wesentlichen gegen die Berechnung der USt durch das FA. Da der BFH diese Einwendungen als zutreffend erachtete, hob er das FG-Urteil auf und gab der Klage statt.

Hinweis

Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung bedeutet, dass der Haftende, wenn er in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerschuldner ergangenen Bescheid anzufechten, die unanfechtbare Erstschuld auch dann gegen sich gelten lassen muss, wenn sie inhaltlich falsch ist. Bei einer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Erstschuld steht jedoch die Drittwirkung der Änderung nicht entgegen, auch wenn die Erstschuld unanfechtbar festgesetzt ist. Der BFH tritt damit der überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung bei. Bei einer unter Vorbehalt stehenden Festsetzung der Erstschuld ist es daher im Hinblick auf die Änderungsmöglichkeit nicht unbedingt erforderlich, diese anzufechten.   

Die GmbH hatte eine Rechnung vorgelegt, die weder USt auswies noch einen Hinweis auf die Steuerfreiheit bzw. das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung enthielt. Das FA berechnete die entsprechende Steuer aufgrund einer Bemessungsgrundlage von "116". Der BFH stellt klar, dass sich der Umsatz nach dem Entgelt abzüglich der USt bemisst. Die Bemessungsgrundlage beträgt demnach nicht "116", sondern abzüglich der im Bruttobetrag enthaltenen USt "100". Die Steuer reduzierte sich daher entsprechend.