Die Hinzuziehung zum Verfahren allein begründet nicht die Klagebefugnis
Hintergrund
X war Gesellschafter einer WP-GmbH. Die Gesellschafter hatten neben dem Gesellschaftsvertrag einen Poolvertrag abgeschlossen. Danach halten die Gesellschafter jeweils einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 50.000 EUR, den sie als frühere Gesellschafter einer AG bei deren Umwandlung in die GmbH oder durch Kauf zum Nominalwert erworben hatten. Einer der Gesellschafter fungiert als Pooltreuhänder, dessen Aufgabe es ist, die Geschäftsanteile ausscheidender Poolmitglieder für die verbleibenden Poolmitglieder zu erwerben und zum Nominalwert später auf neu aufzunehmende Poolmitglieder zu übertragen. Ein Anspruch auf stille Reserven oder einen Goodwill steht dem Ausscheidenden nicht zu.
Dementsprechend übertrug der in 2005 aus Altersgründen ausgeschiedene Gesellschafter X seinen Geschäftsanteil gegen einen Kaufpreis von 50.000 EUR auf den Pooltreuhänder. Das FA war der Ansicht, die Übertragung unterliege bei der GmbH der Schenkungsteuer. Es ging von einem gemeinen Wert des Geschäftsanteils von 1.2 Mio. EUR aus, wovon es 50.000 EUR abzog, und setzte gegenüber der GmbH Schenkungsteuer fest.
Dagegen erhob die GmbH Einspruch. Das FA zog X (und die anderen vorhandenen Gesellschafter) zum Einspruchsverfahren hinzu, da die GmbH geltend machte, nicht sie, sondern allenfalls die Gesellschafter könnten Steuerschuldner sein. Die Hinzuziehung erfolgte nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zwecks Berücksichtigung der steuerlichen Folgen aus einem unrichtigen Steuerbescheid bei einem Dritten. Das FA wies den Einspruch der GmbH als unbegründet zurück.
Gegen diese Einspruchsentscheidung erhob X Klage. Das FG gab der Klage statt. Es hielt den Schenkungsteuerbescheid für rechtswidrig, da es an einem Übergang des Geschäftsanteils sowohl auf die Gesellschafter als auch auf die GmbH fehle. Denn der Treuhänder halte den von X erworbenen Geschäftsanteil nur treuhänderisch auf Zeit bis zur Aufnahme neuer Gesellschafter, die den Anteil zum Nennwert erwerben.
Entscheidung
In der Parallelentscheidung vom gleichen Tage entschied der BFH, dass jedenfalls nicht die GmbH Erwerberin und Steuerschuldnerin ist. Denn sie erwarb weder den Geschäftsanteil noch handelte der Treuhänder im Innenverhältnis für sie (BFH-Urteil v. 4.3.2015, II R 51/13).
Zu der im vorliegenden Fall für X bzw. die übrigen verbleibenden Gesellschafter interessanten Frage, ob X als ehemaliger Gesellschafter Steuerschuldner ist, hat der BFH allerdings keine Entscheidung getroffen. Denn die Klage des X ist unzulässig. X hat als zum Einspruchsverfahren hinzugezogener Dritter zwar für das Einspruchsverfahren die Stellung eines Verfahrensbeteiligten erlangt. Die Hinzuziehung begründet für sich betrachtet jedoch nicht die Klagebefugnis des Hinzugezogenen. Es fehlt an der Geltendmachung einer Rechtsverletzung des Hinzugezogenen als Sachurteilsvoraussetzung (Klagebefugnis gem. § 40 Abs. 2 FGO) im Sinne einer formellen oder materiell-rechtlichen Beschwer durch die Einspruchsentscheidung.
- Zum einen liegt keine formelle Beschwer des X vor. Denn X hatte im Einspruchsverfahren der GmbH keine Anträge gestellt, die zurückgewiesen worden wären.
- Auch eine materiell-rechtliche Beschwer ist nicht ersichtlich. Denn das FA hat in der Einspruchsentscheidung die Steuerschuldnerschaft der GmbH bejaht und während des Klageverfahrens die Steuerschuld lediglich herabgesetzt. Folgerungen zu Lasten des X kann das FA somit weder aus der Einspruchsentscheidung noch aus dem Änderungsbescheid ziehen.
Hinweis
Der Änderungsnorm gem. § 174 Abs. 4 AO liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige, der eine Änderung eines Bescheids zu seinen Gunsten erwirkt, an seinem Rechtsstandpunkt auch insoweit festzuhalten ist, als dieser für ihn anderweit zu nachteiligen steuerlichen Konsequenzen führt. Abs. 5 lässt die entsprechende Anwendung des Abs. 4 auch gegenüber Dritten zu. Zu Lasten eines Dritten ist die Änderung aber nur möglich, wenn er an dem Verfahren zur Änderung des fehlerhaften Bescheids beteiligt war (durch Beiziehung im Einspruchsverfahren oder durch Beiladung im Klageverfahren).
Der BFH stellt klar, dass der zum Einspruchsverfahren hinzugezogene Dritte dadurch aber nicht automatisch auch die Befugnis zur Klage gegen den Einspruchsbescheid erlangt, sondern nur dann, wenn der Hauptbeteiligte ganz oder teilweise eine Bescheidänderung zu seinen Gunsten erwirkt hat. Abs. 5 ist nicht anwendbar, wenn Folgerungen daraus gezogen werden sollen, dass der angefochtene Bescheid bestätigt wird. In diesem Fall beschwert die Einspruchsentscheidung den Hinzugezogenen materiell-rechtlich nicht. So liegt der Fall hier. Die GmbH hat mit ihrem Einspruch lediglich eine Herabsetzung der Steuer wegen geänderter Bewertung erreicht. Ihre Steuerschuldnerschaft wurde aber bejaht und bestätigt.
Auch dass eine Klage des Hauptbeteiligten gegen den Steuerbescheid Erfolg haben könnte, begründet für den Dritten keine Klagebefugnis. Denn die Beschwer muss sich aus der Einspruchsentscheidung ergeben. Hat aber die Klage Erfolg, ist die Einspruchsentscheidung zusammen mit der Steuerfestsetzung aufzuheben. Das hat zur Folge, dass die in der Einspruchsentscheidung vertretenen Ansichten des FA gegenstandslos sind und keine bindende Wirkung zu Lasten des hinzugezogenen Dritten entfalten.
BFH, Urteil v. 4.3.2015, II R 1/14, veröffentlicht am 20.5.2015
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