Investitionsabzugsbetrag für Maschinenwerkzeuge bei Auftragsproduktion
Hintergrund: Nutzung als Werkzeug für den Betrieb des Investors
Streitig ist die für die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags (IAB) und der Sonderabschreibungen erforderliche ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung in einer inländischen Betriebsstätte nach § 7g EStG (Fassung bis 2015).
Die X-KG hat eine Betriebsstätte im Inland. In 2013 benötigte sie Spritzgussformen ("Werkzeuge"), die in universelle Spritzgussmaschinen zur Produktion spezieller Kunststoffformteile eingesetzt werden.
X beauftragte die Firma A mit der Planung und Herstellung der Formen (Werkzeuge). A vergab den Auftrag zur Herstellung der Werkzeuge an einen Subunternehmer in Italien (Y). Die neuen Werkzeuge blieben auch nach dem Eigentumserwerb durch X zunächst bei Y.
Später beauftragte X die Firma B mit der Herstellung der Kunststoffformteile. B beauftragte ihrerseits ein anderes italienisches Unternehmen (Z) mit der Produktion und Lieferung der bestellten Kunststoffformteile nach Deutschland. A und B sorgten dafür, dass Z dafür die erforderlichen Werkzeuge zur Verfügung standen und wiesen deshalb Y an, die Werkzeuge dorthin zu liefern.
Seither bestellt X jährlich einmal die Kunststoffformteile bei B, die diese bei Z herstellen und von dieser liefern lässt. Die Werkzeuge werden dazu für etwa eine Woche pro Jahr tatsächlich von Z genutzt und in der übrigen Zeit für Folgeaufträge – wie branchenüblich – bei Z für X gelagert. Z darf die Werkzeuge nicht anderweitig einsetzen. Sie müssen auf Verlangen der X herausgegeben werden.
X berücksichtigte im Streitjahr 2012 für die anzuschaffenden Werkzeuge gewinnmindernd einen IAB. Nach der Anschaffung aktivierte sie die Werkzeuge und nahm die gewinnmindernde Herabsetzung der Anschaffungskosten sowie Sonderabschreibungen vor.
Das FA ging davon aus, wegen des Verbleibens der Werkzeuge in Italien seien die Nutzungsvoraussetzungen nicht eingehalten wurden.
Das FG gab der Klage statt. Bei funktionaler Betrachtung reiche es aus, dass das Wirtschaftsgut außerhalb der räumlichen Grenzen des Betriebs genutzt werde, aber – wie hier – kurzfristig zurückverlangt werden könne und damit im Einflussbereich des Betriebs verbleibe.
Entscheidung: Funktionale Betrachtung der Nutzungsvoraussetzung
§ 7g EStG verlangt, dass das Wirtschaftsgut mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahrs in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.
Keine Begünstigung bei langfristiger Nutzungsüberlassung
Eine langfristige Nutzungsüberlassung, die die Begünstigung ausschließt, liegt vor, wenn das Wirtschaftsgut einem Anderen wie bei einem Miet-, Pacht- oder Leihverhältnisses zur eigenverantwortlichen Nutzung überlassen wird. Dann verliert das Wirtschaftsgut die räumliche Bindung, da der Andere es zu eigenen Zwecken nutzen kann und den Nutzungsüberlassenden von der tatsächlichen Gewalt über das Wirtschaftsgut langfristig ausschließen kann (BFH v. 30.6.2005, III R 47/03, BStBl II 2006, 78, zum InvZulG).
Begünstigung bei funktionaler Zuordnung zum Betrieb
Im Streitfall verbleiben die Werkzeuge zwar langfristig (länger als drei Monate) bei Y bzw. Z. Diese sind aber nicht zu deren Nutzung zu eigenen Zwecken berechtigt. Sie dürfen die Werkzeuge ausschließlich für die Produktion der von der X in ihrem Betrieb benötigten Teile einsetzen. Eine anderweitige Nutzung ist ihnen untersagt und sie sind zur jederzeitigen Herausgabe der Werkzeuge an X verpflichtet. X hat somit immer die Möglichkeit, die tatsächliche Gewalt über die Werkzeuge innerhalb kurzer Zeit wiederzuerlangen. Sie werden zwischen ihrem jeweiligen Einsatz von Y bzw. Z lediglich für X verwahrt, um der X den jeweiligen Transport zu ersparen. Diese Umstände rechtfertigen es, noch von einer Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Betrieb der X auszugehen. Der erforderliche räumliche Bezug des Wirtschaftsguts zum Betrieb des Investors ist insoweit funktional zu verstehen (Schmidt/Kulosa, EStG, 39. Aufl., § 7g Rz 11 f.; Kratzsch in Frotscher/Geurts, EStG, Freiburg 2018, § 7g Rz 49).
Hinweis: Keine eigenbetriebliche Nutzung durch den anderen Betrieb
Das FA hatte mit der Revision offenbar eingewandt, in der Verwendung der Werkzeuge in den Spritzgussmaschinen von Y und Z liege eine betriebliche Nutzung der Werkzeuge durch Y und Z, die die betriebliche Nutzung durch X ausschließe. Dem steht jedoch entgegen, dass Y bzw. Z kein Entgelt aus dem Einsatz der Werkzeuge erlangen, sondern nur aus dem Spritzvorgang unter Nutzung der eigenen Spritzgussmaschine und des eingesetzten Materials. Die durch die Werkzeuge der X erfolgende Wertschöpfung wird allein im Betrieb der X, nicht in dem von Y bzw. Z erfasst. Die von X zur Verfügung zu stellenden Werkzeuge sind dabei für den Betrieb von Y bzw. Z von untergeordneter, für den Betrieb der X dagegen von entscheidender Bedeutung. Dies rechtfertigt es, von einer betrieblichen Nutzung durch den Investor – hier X – auszugehen.
BFH Urteil vom 03.12.2020 - IV R 16/18 (veröffentlicht am 25.03.2021)
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