Kein Übergang von Verlusten i.S. des § 2a Abs. 1 EStG auf Erben
Hintergrund: Festgestellte negative Einkünfte des Erblassers aus der Vermietung eines Hauses in der Schweiz
Zu entscheiden war, ob der Sohn (S) als Gesamtrechtsnachfolger die für seinen verstorbenen Vater (V) nach § 2a EStG gesondert festgestellten verbleibenden negativen Einkünfte aus VuV bei seiner eigenen ESt-Veranlagung geltend machen kann und deshalb für ihn solche Einkünfte gem. § 2a Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 10d Abs. 4 EStG zum 31.12.2012 bis 2014 festzustellen sind.
V hatte in 2002 bis 2005 negative Einkünfte aus der Vermietung eines Hauses in der Schweiz erzielt, die er nicht ausgleichen konnte (§ 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a EStG). Diese minderten in den Folgejahren bis zum Tod (August 2012) die positiven Einkünfte des V (§ 2a Abs. 1 Satz 3 EStG). In den Streitjahren (2012 bis 2014) erzielte S als Erbe eigene (positive) Einkünfte aus der Vermietung des Hauses. Einen Ausgleich der verbliebenen negativen Einkünfte des V zum Todeszeitpunkt (202.000 EUR) mit den positiven Einkünften des S ließ da FA nicht zu. Den Antrag des S, auf den 31.12.2012 bis 2014 die verbleibenden negativen Einkünfte aus der Schweiz nach § 2a Abs. 1 Satz 5 EStG gesondert festzustellen, lehnte das FA ab.
Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, der spätere Abzug von negativen Einkünften sei mit den zuvor entstandenen negativen Einkünften "verklammert" und daher auch durch den Erben des Verlusterzielers möglich.
Entscheidung: Kein Übergang der nicht verbrauchten Verluste des Erblassers auf den Erben
Der BFH widerspricht dem FG. Die V entstandenen und bis zu seinem Tod nicht verbrauchten Verluste aus der Vermietung des Hauses in der Schweiz sind nicht im Wege der Erbfolge auf S übergegangen. Dementsprechend waren für S keine verbleibenden negativen Einkünfte auf den 31.12. der Streitjahre nach § 2a Abs. 1 Satz 5 EStG festzustellen.
Übergang auf den Erben bei "Verklammerung" von Besteuerungsmerkmalen
Der Erbe tritt sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein. Eine Ausnahme gilt für Umstände, die die höchstpersönlichen Verhältnisse des Erblassers betreffen und unlösbar mit dessen Person verbunden sind. Welche Positionen in diesem Sinne "vererblich" sind, ist unter Heranziehung der Prinzipien des anzuwendenden Einzelsteuergesetzes zu beurteilen (BFH, Urteil v. 25.8.2010, I R 13/09. BStBl II 2011, 113).
Nach der Rechtsprechung des BFH geht der Verlustabzug nach § 10d EStG nicht auf den Erben über (BFH, Beschluss v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608). Denn ein vom Erblasser erzielter Verlust mindert nur dessen eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, nicht die des Erben. Anders ist es im Fall der "gespaltenen Tatbestandsverwirklichung". Das liegt vor, wenn – wie z.B. bei § 24 Nr. 2 letzter Halbsatz EStG – der Erbe den vom Erblasser eingeleiteten Einkunftstatbestand abschließt. Dann besteht eine "Verklammerung von sowohl in der Person des Erblassers als auch in der des Erben jeweils teilweise verwirklichten Besteuerungsmerkmalen", die es rechtfertigt, die vom Erblasser verwirklichten Besteuerungsmerkmale dem Erben zuzurechnen und ihn in die steuerrechtliche Position des Erblassers eintreten zu lassen (BFH, Beschluss v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608).
Keine gespaltene Tatbestandsverwirklichung im Fall des § 2a Abs. 1 EStG
Entgegen der Auffassung des FG begründet § 2a Abs. 1 EStG keine gespaltene Tatbestandsverwirklichung in diesem Sinne. Die "personelle Aufspaltung" eines Steuertatbestands liegt vor, wenn bei zwei Personen Umstände vorliegen, die – für sich genommen – keine Besteuerung auslösen, sondern nur bei einer personenübergreifenden Betrachtung. Eine derartige "Verklammerung" von Merkmalen, die einerseits vom Erblasser und andererseits vom Erben verwirklicht worden sind, hat der BFH z.B. im Bereich des § 2 Abs. 1 Satz 5 AuslInvG bejaht (BFH, Urteil v. 25.8.2010, I R 13/09, BStBl II 2011, 113).
Diese Überlegungen lassen sich auf § 2a Abs. 1 EStG nicht übertragen. Die Regelung betrifft die Feststellung negativer Einkünfte, also nicht die Einkommensermittlung, sondern die nachgelagerte Ebene der Zurechnung negativer Einkünfte. Hier ist die Annahme einer tatbestandlichen "Verklammerung" ausgeschlossen. Das zeigt auch der Vergleich mit dem Erwerb einer inländischen Immobilie. Die Verluste des Erblassers finden Eingang in seinen Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG, für den eine Rechtsnachfolge aber ausgeschlossen ist (BFH, Beschluss v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608).
Hinweis: Keine Berufung auf Vertrauensschutz
Der BFH schließt sich in dieser im Schrifttum umstrittenen Rechtsfrage der Auffassung der Verwaltung zur Nichtübertragbarkeit der Verluste nach § 2a Abs. 1 EStG auf den Erben an (R 10d Abs. 9 Satz 9 EStR).
Der BFH ergänzt, dass sich S auch nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte stützen kann, weil die Finanzverwaltung bis zum Ergehen des Beschlusses des Großen Senats (BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608) noch vom Übergang der verbliebenen negativen Einkünfte aus der Vermietung i.S. des § 2a Abs. 1 EStG ausgegangen sei. Abgesehen davon, dass ein entsprechender Vertrauensschutztatbestand sich nur auf die Person des V beziehen könnte, gab es zu § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG – anders als zu § 10d EStG – keine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, von der der BFH nunmehr abweichen würde. Es bestand keine entsprechende Vertrauensbasis. Denn der Beschluss des Großen Senats betrifft (abweichend von der bisher herrschenden Meinung) die Nichtvererblichkeit des Verlustabzugs nach § 10d EStG.
BFH Urteil vom 23.10.2019 - I R 23/17 (veröffentlicht am 25.06.2020)
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