Keine doppelte Besteuerung bei privaten Renten

Der BFH hat zahlreiche weitere Streitfragen zum Problem der sog. doppelten Rentenbesteuerung geklärt. Er hat nicht nur über die Behandlung von Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente und Fragen der sog. Öffnungsklausel entschieden. Er hat auch klargestellt, dass es bei Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung (kurz: privaten Renten), die – anders als gesetzliche Altersrenten – lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert werden, systembedingt keine Doppelbesteuerung geben kann.

1. Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen der nachgelagerten Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG.

2. Die Öffnungsklausel für eine zumindest teilweise Ertragsanteilsbesteuerung von Basisversorgungsrenten ist nur auf Antrag des Steuerpflichtigen und nicht von Amts wegen anzuwenden.

3. Regelmäßige Rentenanpassungen sind auch in der Übergangsphase nicht nur mit dem individuellen Besteuerungsanteil, sondern in voller Höhe zu besteuern.

4. Bei den nur mit dem Ertragsanteil zu besteuernden Renten aus privaten Versicherungsverträgen außerhalb der Basisversorgung kann gegen das Verbot der doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und späteren Alterseinkünften bereits aus systematischen Erwägungen nicht verstoßen werden.

5. Die Überschussbeteiligung aus einer privaten Leibrentenversicherung ist einheitlich mit der garantierten Rente mit dem gesetzlichen Ertragsanteil zu besteuern.

Hintergrund: Freiberufler mit gesetzlichen und privaten Renten

Der Zahnarzt (Z) war Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, blieb allerdings freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere "Rürup"-Renten, ebenso zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten.

Das FA setzte für die gesetzliche Altersrente einschließlich der Leistungen der Höherversicherung den sich nach der gesetzlichen Übergangsregelung ergebenden Besteuerungsanteil von 58 % an. 42% der ausgezahlten Rente blieben steuerfrei. Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistungen des Z in zwei Versorgungssysteme wandte das FA die sog. Öffnungsklausel an. Diese ermöglicht es, in bestimmten Konstellationen die Rente zumindest teilweise mit dem günstigeren Ertragsanteil zu versteuern. Die "Rürup"-Renten des Z brachte das FA mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten – wie vom Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil in Ansatz.

Das Finanzgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab.

Die Eheleute Z hielten die Entscheidung des FG aus mehreren Gründen für unzutreffend. Sie meinten, die gesetzliche Altersrente, eine der "Rürup"-Renten und diverse Renten aus privaten Versicherungen würden doppelt besteuert, weil nach ihren Berechnungen die aus versteuertem Einkommen erbrachten Beiträge höher seien als der steuerfreie Teil der zu erwartenden Rentenzahlungen.

Entscheidung: Keine Doppelbesteuerung

1. Freiwillige Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente

Die Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung (§ 269 Abs. 1 SGB VI) zusammen mit den Bezügen aus der regulären Altersrente der DRV Bund unterliegen der nachgelagerten Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Für das Begehren, jene Beträge ausschließlich und isoliert mit dem Ertragsanteil nach Doppelbuchst. bb der Vorschrift zu besteuern, besteht keine Rechtsgrundlage. Die Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente des Z stellen steuerbare Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG dar, wobei offen bleiben kann, ob es sich dabei isoliert betrachtet - wofür die rentenförmige Auszahlung der Beträge sprechen könnte - um eine Leibrente oder um andere Leistungen im Sinne der Vorschrift handelt.

2. Besteuerung der Altersrente

Die Bezüge aus der gesetzlichen Altersrente des Z einschließlich der Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung unterlagen im Streitjahr der Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass das FA die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG anwenden konnte, da es an dem hierfür erforderlichen Antrag für das Streitjahr fehlt. Er ist weder ausdrücklich noch konkludent gestellt worden. Das FA hat daher die ESt für das Streitjahr insoweit (rechtswidrig) zu niedrig festgesetzt. Das wirkt sich im Streitfall zugunsten der Eheleute aus, da durch die teilweise Besteuerung der Bezüge aus der gesetzlichen Altersrente und der Steigerungsbeträge mit dem Ertragsanteil die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage für das Streitjahr herabgesetzt wurde.

3. Saldierung

Die – mangels Antrags nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 Halbsatz 1 EStG einfachgesetzlich zwingende - nachgelagerte Besteuerung der gesetzlichen Altersrente einschließlich der Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung abzüglich des individuellen Rentenfreibetrags nach Maßgabe der vom BFH vertretenen Berechnungsgrundsätze und -parameter hat zwar eine doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften zur Folge, sodass jene Rente für das Streitjahr rechnerisch in Höhe von 42 EUR doppelt besteuert worden wäre. Diese verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässige doppelte Besteuerung liegt aber unterhalb der Steuerentlastung der Eheleute wegen der Z vom FA (rechtswidrig) aufgedrängten Anwendung der Öffnungsklausel. Aufgrund der Saldierungspflicht des Senats ist eine Rechtsverletzung der Eheleute daher ausgeschlossen. Das Saldierungsgebot gilt auch im Revisionsverfahren.

4. "Rürup"-Rente der A-AG

Die von Z bezogene "Rürup"-Rente der A-AG war im Streitjahr keiner doppelten Besteuerung ausgesetzt war. Der von den Eheleuten insofern ermittelte Betrag von zuletzt 56 EUR ist den vom FG getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen.

5. Anpassungen der "Rürup"-Renten

Das Vorbringen, das FG habe zu Unrecht entschieden, regelmäßige Anpassungen der "Rürup"-Rente/n des Z seien in voller Höhe bei den Alterseinkünften des Z zu erfassen, greift nicht durch. Die Vollbesteuerung der Anpassungsbeträge hat bei der Prüfung einer doppelten Besteuerung keine unmittelbare Bedeutung. Verglichen werden  nur die aus versteuertem Einkommen erbrachten Beiträge mit den voraussichtlich steuerfrei zufließenden Rentenbezügen. Regelmäßige Rentenanpassungen sind dagegen den (voll) steuerbelasteten Bezügen zuzuordnen und werden daher nicht als Vergleichsparameter herangezogen. Der Umstand, dass die Anpassungen durch den gesetzlichen Besteuerungsanteil nicht zumindest teilweise steuerfrei belassen werden, kann somit nur mittelbar Grund dafür sein, dass im jeweiligen Einzelfall die Grenze einer unzulässigen doppelten Besteuerung betragsmäßig eher erreicht wird.

6. Nicht entscheidungserheblicher Betrag

Die vom FG ermittelte doppelte Besteuerung von neun der von Z im Streitjahr bezogenen Leibrenten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung erweist sich bereits vom systematischen Ansatz her als unzutreffend. Denn die Besteuerung mit dem Ertragsanteil beruht gerade auf dem Leitbild, der Rentenanspruch sei durch aus versteuertem Einkommen gezahlten Beiträgen erworben. Das FA hat jene Renten dem Grunde und der Höhe nach zutreffend mit dem Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG besteuert. Der Rechtsfehler des FG, eine doppelte Besteuerung von neun dieser Renten festzustellen, war nicht entscheidungserheblich. Das FG hielt den von ihm ermittelten Betrag für geringfügig und damit nicht berücksichtigungsfähig.

7. Überschussbeteiligungen

Auch die Überschussbeteiligungen des Z aus mehreren privaten Leibrentenversicherungen neben den garantierten Renten sind mit den jeweiligen gesetzlichen Ertragsanteilen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG zu besteuern. Überschussbeteiligungen sind Bestandteil der Leibrente und mit dem nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG maßgeblichen Ertragsanteil in Ansatz zu bringen. Unerheblich ist, dass die Überschussbeteiligungen - anders als der garantierte Teil der Leibrente - nicht mit hinreichender Gewissheit prognostizierbar sind.

Hinweis: Berechnungsformel des Grundsatzurteils X R 33/19

Die Entscheidung ist eine Folgeentscheidung zu dem Grundsatzurteil vom 19.05.2021 - X R 33/19, veröffentlicht ebenfalls am 31.5.2021. Der BFH verweist hinsichtlich der Ermittlung des steuerfrei zufließenden Teils der gesetzlichen Altersrente nebst Steigerungsbeträgen aus der Höherversicherung auf die Berechnungsformel dieses Grundsatzurteils X R 33/19. Danach sind weder der Werbungskosten-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 3 EStG) noch der Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 und 5 EStG) und ebenso wenig der Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Sonderausgaben-Pauschbetrag (§ 10c EStG) einzubeziehen (BFH Urteil vom 19.05.2021 - X R 33/19, Rz 61 ff.).

BFH Urteil vom 19.05.2021 - X R 20/19 (veröffentlicht am 31.05.2021)

Lesen Sie auch die Kommentierung des weiteren am 31.5.2021 veröffentlichten Urteils: Doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen


Schlagworte zum Thema:  Bundesfinanzhof (BFH), Einkommensteuer, Rente